Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergewaltigung. Festsetzung der Vergütung des Verteidigers
Leitsatz (amtlich)
Im Falle der Rücknahme der Revision entsteht die zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG, wenn durch die anwaltliche Mitwirkung die Hauptverhandlung entbehrlich geworden ist. Die Festsetzung der Gebühr kommt nur dann in Betracht, wenn das Revisionsverfahren so weit fortgeschritten ist, dass beurteilt werden kann, ob eine Revisionshauptverhandlung durchgeführt werden wird.
Normenkette
VV RVG Nr. 4141
Verfahrensgang
LG Meiningen (Beschluss vom 21.06.2006) |
Tenor
Die Beschwerde wird verworfen.
Tatbestand
I.
Rechtsanwalt D. wurde dem Angeklagten am 11.08.2005 zum Pflichtverteidiger bestellt. Mit Urteil vom 01.02.2006 wurde der Angeklagte durch das Landgericht Meiningen wegen Vergewaltigung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, Nötigung und vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen unter Einbeziehung der Strafe aus der Verurteilung des Amtsgerichts Bad Salzungen vom 17.01.2005 und unter Einbeziehung der Strafe aus der Verurteilung des Amtsgerichts Meiningen vom 05.09.2005 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt. Ferner wurde der Angeklagte wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt. Das Gericht ordnete die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt an.
Gegen dieses Urteil legte Rechtsanwalt D. mit Schriftsatz vom 03.02.2006 am 06.02.2006 Revision ein. Nach Zustellung des Urteils am 01.03.2006 begründete der Verteidiger mit Schriftsatz vom 07.03.2006 die Revision mit der allgemeinen Sachrüge und behielt sich weitere Ausführungen vor. Mit eigenhändigen Schriftsatz vom 12.03.2006, eingegangen beim Landgericht am 20.03.2006, nahm der Angeklagte seine Revision zurück. Eine weitere Rücknahmeerklärung des Verteidigers vom 16.03.2006 ging am 21.03.2006 beim Landgericht ein.
Mit Schriftsatz vom 21.03.2006 beantragte Rechtsanwalt D. die Festsetzung seiner Gebühren und Auslagen für das Revisionsverfahren in Höhe von insgesamt 1.086,92 EUR.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle setzte durch Beschluss vom 21.04.2006 die zu erstattenden Gebühren und Auslagen für das Revisionsverfahren auf 609,00 EUR fest.
Die als Erinnerung auszulegende Einwendung des Pflichtverteidigers, mit der er sich gegen die Absetzung der Gebühren nach Nr. 4141 VV RVG wandte, wies die 1. Strafkammer des Landgerichts Meiningen durch den Vorsitzenden der Kammer als Einzelrichter nach Anhörung des Bezirksrevisors zurück.
Gegen diesen Beschluss legte der Verteidiger gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG zulässig Beschwerde ein.
Entscheidungsgründe
II.
Durch Beschluss vom 27.11.06 wurde die Sache wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung dem Senat in der Besetzung mit 3 Richtern übertragen (§§ 56, 33 Abs. 8 S. 2 RVG).
Die Beschwerde hat keinen Erfolg; dem Beschwerdeführer steht die Gebühr nach Nr. 4141 Abs. 1 Ziff. 3 i.V.m. Nr. 4130 VV RVG nicht zu.
Ob und unter welchen Voraussetzungen die sog. Befriedungsgebühr nach Nr. 4141 Abs. 1 Nr. 3 VV RVG bei Rücknahme einer Revision entsteht, ist in Rechtsprechung und Kommentarliteratur umstritten.
Zunächst wird die Auffassung vertreten, die Gebühr entstehe unabhängig davon, ob die Revision vor der Rücknahme begründet worden sei, und auch unabhängig davon, ob eine (Revisions-)Hauptverhandlung durch die Rücknahme vermieden werde (so u.a. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. September 2005 – III – 1 Ws 288/05 –, AGS 2006, 124, zitiert nach juris; Burhoff (Hrg.), RVG – Straf- und Bußgeldsachen, Nr. 4141 VV Rdnr. 37; Hartung/Römermann/Schons, Praxiskommentar zum RVG, Nr. 4141 VV, Rdnr. 22).
Nach anderer Ansicht entsteht jedenfalls dann, wenn die Revision im Zeitpunkt der Revisionsrücknahme noch nicht begründet worden ist, die Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG nicht, weil in einem solchen Fall selbst die theoretische Möglichkeit einer Revisionshauptverhandlung nicht bestehe (vgl. u.a. KG, Beschluss vom 4. April 2006 – 4 Ws 28/06 –, zitiert nach www.burhoff.de; OLG Hamm, Beschluss vom 17.08.2006, 2 Ws 134/06, zitiert nach www.burhoff.de., Gerold/Schmidt-Madert, RVG, 17. Auflage, Nr. 4141 VV, Rdnr. 22)
Schließlich wird vertreten, dass die Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG nur dann entsteht, wenn nach Begründung der Revision konkrete Anhaltspunkte für die Anberaumung einer Revisionshauptverhandlung bestünden (vgl. u.a. OLG Zweibrücken AGS 2006, 74 zitiert nach juris; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 02.06.2006, 1 Ws 58/06 bei juris).
Der Senat schließt sich der restriktiven Auffassung an.
In Nr. 4141 V VRVG heißt es:
„Durch die anwaltliche Mitwirkung wird eine Hauptverhandlung entbehrlich: Zusätzliche Gebühr in Höhe der jeweiligen Verfahrensgebühr(ohne Zuschlag).
(1) Die Gebühr entsteht, wenn
…
3. sich das gerichtliche Verfahren durch Rücknahme … der Revision des Angeklagten … erledigt; ist bereits einen Termin zur Hauptverhandlung bestimmt, entsteht die Gebühr nur, wenn … die Revision früher als zwei Wochen ...