Entscheidungsstichwort (Thema)

Strafprozeßordnung: Körperliche Durchsuchung und Abgabe einer Urinprobe bei einem Untersuchungsgefangenen

 

Leitsatz (amtlich)

›1. Eine körperliche Durchsuchung des Untersuchungsgefangenen zur Auffindung von etwaigen Betäubungsmitteln unterfällt dem Begriff der verstärkten Durchsuchung des Gefangenen, die in Nr. 63 Abs. 1 Nr. 1 UVollzO als Beispiel einer besonderen Sicherungsmaßnahme aufgeführt ist. Die Durchsuchung dient sowohl der Vermeidung als auch der Behebung einer erheblichen Störung der Anstaltsordnung. Voraussetzung einer solchen Maßnahme ist allerdings ein hinreichender konkreter Verdacht.

2. Zur Abgabe einer Urinprobe ist der Untersuchungsgefangene in solchen Fällen mangels gesetzlicher Grundlage nicht verpflichtet. ‹

 

Verfahrensgang

LG Gera (Beschluss vom 06.12.2004)

 

Gründe

I.

Aufgrund eines Hinweises des zuständigen Vollzugsabteilungsleiters der Justizvollzugsanstalt H. bestand hinsichtlich des Angeklagten und der weiteren im Haftraum untergebrachten Gefangenen der Verdacht des Betäubungsmittelkonsums. Es wurde deshalb für alle im Haftraum untergebrachten Gefangenen ein Betäubungsmitteltest mittels körperlicher Durchsuchung mit Entkleidung und Urinkontrolle angeordnet. Die Gefangenen wurden darüber belehrt, dass sie die Urinabgabe verweigern könnten, nicht hingegen die körperliche Durchsuchung mit Entkleidung. Erst nach wiederholter Aufforderung und Eintreffen von Unterstützung sowie Androhung körperlichen Zwangs ließ sich der Angeklagte körperlich durchsuchen.

Am 02.12.2004 beantragte der Leiter der Justizvollzugsanstalt H. beim Landgericht Gera die Anordnung einer Disziplinarmaßnahme in Gestalt eines Arrests für die Dauer von drei Tagen, der für die Dauer von drei Monaten zur Bewährung ausgesetzt wird, zugleich beantragte der Leiter der Vollzugsanstalt H. die nachträgliche Zustimmung zu der durchgeführten besonderen Sicherungsmaßnahme der verstärkten Durchsuchung.

Mit Beschluss vom 06.12.2004 ordnete der Vorsitzende der 9. Strafkammer des Landgerichts Gera gegen den Angeklagten einen Arrest für die Dauer von drei Tagen, welcher für die Dauer von drei Monaten zur Bewährung ausgesetzt wird, an. Zugleich erteilte der Vorsitzende der 9. Strafkammer die beantragte Zustimmung zu den durchgeführten besonderen Sicherungsmaßnahmen, widerrief die Zustimmung zur Verlegung in die Justizvollzugsanstalt H. und ordnete die Rückverlegung in die JVA G. an.

Gegen diesen Beschluss legte der Angeklagte durch seine Verteidigerin am 15.12.2004 Beschwerde ein. Er begründete diese im Wesentlichen damit, dass die Anordnung der Urinkontrolle vollkommen willkürlich, d.h. ohne einen konkreten Anlass erfolgt sei. Der Vorsitzende der 9. Strafkammer des Landgerichts Gera half der Beschwerde nicht ab und legte die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Senat vor. Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 30.12.2004 beantragt, die Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet zu verwerfen, dass nicht die verweigerte Urinprobe, sondern die Verweigerung der Durchsuchung seiner Person, seiner Sachen sowie seines Haftraumes die angefochtenen Maßnahmen rechtfertigen.

Die statthaft und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist unbegründet.

II.

1. Die nachträgliche Erteilung der Zustimmung zu der bei dem Beschwerdeführer am 15.11.2004 durchgeführten besonderen Sicherungsmaßnahme der verstärkten Durchsuchung des Gefangenen ist nicht zu beanstanden, denn die durchgeführte besondere Sicherungsmaßnahme war rechtmäßig.

Gemäß § 119 Abs. 3 StPO dürfen dem Untersuchungsgefangenen nur solche Beschränkungen auferlegt werden, die der Zweck der Untersuchungshaft oder die Ordnung in der Vollzugsanstalt erfordert. Diese Bestimmung wird durch die Untersuchungshaftvollzugsordnung, bei der es sich um eine allgemeine Verwaltungsanordnung handelt, konkretisiert. Gemäß Nr. 62 UVollzO können besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, wenn eine Gefährdung des Zwecks der Untersuchungshaft oder eine erhebliche Störung der Anstaltsordnung anders nicht vermieden oder behoben werden kann.

Eine körperliche Durchsuchung des Untersuchungsgefangenen, wie sie hier durchgeführt wurde, unterfällt dem Begriff der verstärkten Durchsuchung des Gefangenen, die in Nr. 63 Abs. 1 Nr. 1 UVollzO als Beispiel einer besonderen Sicherungsmaßnahme aufgeführt ist (siehe Münchhalffen/Gatzweiler, Das Recht der Untersuchungshaft, 2. Aufl., Rn. 483). Die körperliche Durchsuchung zu dem Zweck, Betäubungsmittel aufzufinden oder Hinweise auf einen erfolgten Betäubungsmittelmissbrauch zu erhalten, dient sowohl der Vermeidung als auch der Behebung einer erheblichen Störung der Anstaltsordnung. Voraussetzung einer solchen Maßnahme ist allerdings ein hinreichender konkreter Verdacht. Dieser lag hier aufgrund eines Hinweises des für die Station zuständigen Vollzugsabteilungsleiters vor. Zweifel an der diesbezüglichen Angabe der Justizvollzugsanstalt H. sind nicht begründet. Auch ist die Justizvollzugsanstalt aus Gründen der Aufrech...

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