Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Abrechnung von Architektenleistungen bei Vertragsaufhebung wegen Unmöglichkeit
Leitsatz (amtlich)
I. Ist die von den Architekten vertraglich übernommene Werkleistung - wegen fehlender Standsicherheit und deswegen notwendigen Totalabrisses der Altbau-substanz - unmöglich geworden, richtet sich die Vergütung für die tatsächlich erbrachten Architektenleistungen nicht nach § 649 Satz 2 BGB a.F., sondern nach § 645 Abs. 1 BGB a.F. Daran ändert auch eine nachträgliche Vertragsaufhebung (des Architektenvertrages) nichts, wenn sie keine eigene Vergütungsabrede enthält. Denn bei einverständlicher Vertragsaufhebung (eines Werkvertrags ohne ergänzende Vergütungsabrede) richtet sich der Vergütungsanspruch des Auftragnehmers (hier Architekt) danach, welche Rechte er im Zeitpunkt der einverständlichen Aufhebung machen konnte. Das Risiko der zerfallenden Bausubstanz trägt in diesem Fall allein der Auftraggeber; daher können die Architekten mit den Folgen dieser Leistungsstörung, was ihre bis zur Vertragsaufhebung geleistet Arbeit anbelangt, nicht belastet werden.
II. Zwar können nach § 4 Abs. 2 HOAI die Mindestsätze (der HOAI) grundsätzlich nicht unterschritten werden. Das bedeutet, dass eine Honorarvereinbarung dann unzulässig ist, wenn sie zu einem Honorar führt, das das von der HOAI vorgesehene Mindesthonorar unterschreitet. Orientiert sich die Honorarvereinbarung aber an den nach der HOAI maßgeblichen Abrechnungsfaktoren, kann die Zulässigkeit einer Honorarvereinbarung nicht isoliert für einen einzelnen Abrechnungsfaktor, sondern nur bei ihrer vollständigen Anwendung beurteilt werden. Die preisrechtliche Bindung an die HOAI lässt im Übrigen die grundsätzlich im Privatrecht bestehende Vertragsfreiheit unberührt.
III. Vereinbaren die Parteien eines Architektenvertrages ein Honorar, das die Mindestsätze - unter Anwendung der in Ziff. 2 dargestellten Grundsätze - in unzulässiger Weise unterschreitet, verhält sich der Architekt, der später nach Mindestsätzen abrechnen will, widersprüchlich. Dieses widersprüchliche Verhalten steht nach Treu und Glauben einem Geltendmachen der Mindestsätze entgegen, wenn der Auftraggeber auf die Wirksamkeit der Vereinbarung vertraut und sich in einer Weise darauf eingerichtet hat, dass ihm die Zahlung des Differenzbetrages zwischen dem vereinbarten Honorar und dem nach den Mindestsätzen nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden kann.
IV. Im Übrigen erfolgt eine Überprüfung der Honorarvereinbarung nicht von Amts wegen, sondern erst dann, wenn sich der Verstoß gegen zwingendes Preisrecht (der HOAI) aus dem Vortrag der Parteien oder sonst eindeutig ergibt.
Normenkette
BGB a.F. § 645 Abs. 1; HOAI § 4 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Erfurt (Urteil vom 21.03.2002; Aktenzeichen 7 O 966/98) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten werden - nach (nur) in diesem Umfang erfolgter Zurückverweisung durch Urteil des BGH vom 16.12.2004 - VII ZR 16/03 - das Urteil des Senats vom 18.12.2002 und das Urteil des LG Erfurt vom 21.3.2002 (der Verkündungsvermerk enthält das Datum 7.3.2002), Az.: 7 O 966/98 - unter teilweiser Aufrechterhaltung - wie folgt abgeändert und neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger insgesamt einen Betrag von 598.227,09 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 4 % seit dem 2.4.1998 zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung (der Beklagten) zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden - unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Instanzstreitwerte - wie folgt verteilt:
Von den Kosten der ersten Instanz (Streitwert beträgt 1.541.107,30 EUR) fallen der Beklagten 39 % und den Klägern 61 % zur Last.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens (Streitwert 1.227.824,76 EUR) haben die Beklagte 49 % und die Kläger 51 % zu tragen.
Die gerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens werden niedergeschlagen. Die außergerichtlichen Kosten beider Parteien (Revisionsstreitwert [beider Revisionen] 1.227.824,76 EUR; nach Rücknahme der Anschlussrevision der Kläger 985.959,87 EUR) fallen den Klägern allein zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beiden Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung der jeweils gegnerischen Partei durch Sicherheitsleistung i.H.v. jeweils 110 % des vollstreckbaren Betrages/Kostenbetrages abzuwenden, wenn nicht die (voll-streckende) Gegenpartei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Hinsichtlich der Streitwertfestsetzung 1. Instanz verbleibt es bei dem vom LG Erfurt festgesetzten Betrag von 1.541.107,30 EUR; den Revisionsstreitwert hat der BGH bereits mit Beschluss vom 16.12.2004 - wie oben - festgesetzt.
Den Streitwert des Berufungsverfahrens setzt der Senat endgültig entsprechend den bis zuletzt aufrechterhaltenen Anträgen der Parteien auf insgesamt 1.227.824,76 EUR fest.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Kläger machen gegen die beklagte Stadt Honoraransprüche aus einem einvernehmlich aufgehobenen Architektenvertrag geltend.
Die Beklagte lobte im Jahr 1995 einen Architektenwettbewerb...