Entscheidungsstichwort (Thema)
Herausgabeanspruch
Leitsatz (redaktionell)
Wird Eigentum im Zuge der Bodenreform enteignet, so ist davon zwar der Grundbesitz sowie landwirtschaftliches Inventar, jedoch nicht kunstgegenständliches Mobiliar erfasst.
Normenkette
BGB § 985
Verfahrensgang
LG Erfurt (Urteil vom 29.03.2000; Aktenzeichen 10 O 2710/99) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerinnen wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 29.03.2000 – AktZ. 10 O 2710/99 – wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt,
- den gegenwärtig im roten Salon der Goethe-Gedenkstätte Schloss Kochberg bei Rudolstadt, Gemarkung Großkochberg, sich befindenden Schreibsekretär Birnbaum gebeizt mit Intarsien – 17 verdeckte und 6 sichtbare Schübe – 111 × 97 × 56 cm (Geschenk Goethes an Charlotte von Stein) und
- den gegenwärtig im Goethezimmer der Goethe-Gedenkstätte Schloss Kochberg sich befindenden Schreibtisch mit Aufsatz, vorwiegend Eichenholz – 180 × 120 × 72 cm (Goethes Schreibtisch)
an die Klägerinnen herauszugeben, vorbehaltlich der Erteilung einer denkmalschutzrechtlichen Verbringungsgenehmigung nach dem Thüringer Denkmalschutzgesetz.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerinnen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120.000,– DM abwenden, wenn nicht die Klägerinnen vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Beide Parteien können die Sicherheit durch eine schriftliche, unbedingte, unbefristete, unwiderrufliche und selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder eines öffentlichen Kreditinstituts leisten.
IV. Die Beschwer beider Parteien übersteigt den Betrag von 60.000,– DM.
Tatbestand
Die Klägerinnen verlangen von der Beklagten die Herausgabe zweier kulturgeschichtlich bedeutsamer Möbelstücke. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen wenden sich die Klägerinnen mit der Berufung.
Es handelt sich bei den herausverlangten Möbelstücken um einen Schreibsekretär G. und um einen Damenschreibsekretär, den der Dichter seiner Freundin C. v. S. geschenkt hatte. Beide Möbelstücke befinden sich in der G. Gedenkstätte in Schloss K. bei R., das von der Beklagten verwaltet wird (s. auch Prospekt, Gerichtsakte/Anlagenfach).
Die Klägerinnen stützen ihre Klage auf Eigentum, das sie aus folgender Erbfolgeregelung ableiten:
Auszugehen ist von dem Jahre 1933. Zu dieser Zeit standen die Möbelstücke ebenso wie das gesamte Schloss Kochberg, ein sog. „Mann”-Lehen, im Eigentum des Rittergutsbesitzers P. Freiherr v. S. einem Urenkel O. v. S. F. v. S. war verheiratet mit E. v. S. geb. v. G. Die Ehe war ohne männlichen Nachkommen geblieben. F. v. S. schloss am 25.04.1933 einen Erbvertrag mit seinem Neffen W. Graf v. S., dem Vater der Klägerinnen. Danach sollte das gesamte Rittergut beim Tode des Onkels auf den Neffen übergehen. Die Witwe v. S. sollte ein lebenslanges Wohnrecht erhalten. Das Inventar sollte weitgehend ebenfalls der Witwe zustehen, mit Ausnahme der Stücke, die einen historischen Affektionswert hatten, insbesondere mit Ausnahme der Goethe-Erinnerungsstücke. Diese sollte der Neffe im Schloss bewahren. Im Falle eines notwendig werdenden Verkaufs sollten sie an das Land Thüringen zur Aufnahme in die Goethesammlung veräußert werden.
F. v. S. verstarb am 31.03.1938. Seine Ehefrau E. v. S. blieb zunächst im Schloss wohnen. Nach dem Kriege blieb sie noch kurze Zeit als Verwalterin des Schlosses eingesetzt, bis sie im Jahre 1947 als Gegnerin der Bodenreform vom Schloss verwiesen worden ist und in W. ihren Wohnsitz genommen hat. Sie verstarb im Jahre 1968.
W. Graf v. S. begab sich nach dem Kriege in den Westen und lebte später in D. Er verstarb am 03.10.1981.
Die Möbelstücke blieben im Schloss.
Das Schloss selbst ist im Zuge der Bodenreform enteignet worden.
Die Klägerinnen sind die Erben des Grafen v. S.
Die Klägerinnen haben vorgetragen:
Sie seien Eigentümerinnen der streitgegenständlichen Möbelstücke. Sie hätten das Eigentum von ihrem Vater geerbt. Dieser sei im Zuge der Bodenreform zwar enteignet worden. Die Enteignung habe aber nur den Grundbesitz und das landwirtschaftliche Inventar umfasst, nicht aber das sonstige Inventar. Ein anderweitiger diesbezüglicher Enteignungsakt sei nicht gegeben.
Sie hätten einen Restitutionsantrag nach § 5 AusglLeistG gestellt, der bisher nicht verbeschieden worden sei. Aus einem Schreiben des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 27.05.1998 ergebe sich aber, dass die Möbelstücke nicht enteignet worden seien und daher eine Restitution gar nicht möglich sei.
Die Klägerinnen haben beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie
den sich gegenwärtig im roten Salon der G. Gedenkstätte Schloss G. K. befindenden „Schreibsekretär Birnbaum gebeizt mit Intarsien – 17 verdeckte und sechs sichtbare Schübe – 111 × 97 × 56 cm” (Geschenk G. an C. v. S.)
sowie
den sich gegenwärtig im G. zimmer der G. Gedenkst...