Leitsatz (amtlich)

Die vom Bundesgerichtshof in aufgestellte Spürbarkeitsgrenze bei der Gewährung von Bonuspunkten oder Einkaufsgutscheinen im Wert von bis zu einem Euro (BGH GRUR 2010, 1133 - Bonuspunkte) ist dahin zu verstehen, dass sich die Bonusgewährung auf das jeweils verschriebene Medikament bezieht, unabhängig davon, ob auf dem Rezept ein, zwei oder drei Medikamente verordnet wurden.

 

Verfahrensgang

LG Meiningen (Entscheidung vom 27.10.2011; Aktenzeichen HKO 118/10)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 08.05.2013; Aktenzeichen I ZR 90/12)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers und Widerbeklagten wird das Urteil des Landgerichts Meiningen vom 27.10.2011, Az. HKO 118/10, abgeändert.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits insgesamt hat der Beklagte und Widerkläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte und Widerkläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger und Widerbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Der (ursprünglich auf negative Feststellung klagende) Kläger ist Apotheker, der (später positiv auf Unterlassung widerklagende) Beklagte ein klagebefugter Verband nach § 8 Abs. 3 UWG. Der Kläger warb mit einem Flyer wie aus der Anlage K 1 ersichtlich und nachfolgend wiedergegeben:

Der Beklagte hatte den Kläger abgemahnt, weil er das Ankündigen der Gewährung eines Einkaufsgutscheins im Wert von mehr als 1 EUR bei Einlösen eines Rezeptes für unlauter und einen Verstoß gegen Preisvorschriften hält. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes erster Instanz wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen. Nachdem die Parteien die Feststellungsklage übereinstimmend für erledigt erklärt hatten, hat der Beklagte noch weiter widerklagend beantragt, den Kläger es bei Meidung der üblichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr bei Einlösung eines Rezeptes betreffend verschreibungspflichtige, preisgebundene Arzneimittel eine Prämie von mehr als 1,00 Euro anzukündigen und/oder zu bewerben und/oder einzulösen sowie den Kläger zu verurteilen, an ihn EUR 208,65 nebst Zinsen für vorgerichtliche Abmahnkosten zu zahlen.

Das Landgericht hat der Widerklage stattgegeben. Der Verstoß gegen das Arzneimittelpreisrecht stelle eine spürbare Beeinträchtigung dar. Im Ergebnis sei daher auch der Zahlungsanspruch des Beklagten begründet. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers und Widerbeklagten. Er wiederholt und vertieft seine bereits erstinstanzlich vorgetragene Auffassung, eine spürbare Beeinträchtigung im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG sei zu verneinen. Bezugspunkt für die Beurteilung der Geringwertigkeit der Prämie müsse das verschriebene Medikament, nicht das Rezept sein.

Der Kläger und Widerbeklagte beantragt,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Widerklage abzuweisen.

Der Beklagte und Widerkläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung.

II.

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann der Beklagte einen Unterlassungsanspruch nach §§ 8 Abs. 1, 3, 4 Nr. 11 i.V.m. §§ 78 AMG, 1, 3 AMPreisV nicht geltend machen. Die streitgegenständliche Ankündigung der Gewährung eines Einkaufsgutscheines von bis zu 3 EUR für den Fall, dass auf einem Rezept drei verschreibungspflichtige Medikamente verschrieben wurden, überschreitet nicht die Spürbarkeitsschwelle nach § 3 Abs. 1 UWG.

1.

Dass die Ankündigung von Einkaufsgutscheinen, Bonustalern o.ä. bei der Einlösung von Rezepten an sich einen Verstoß gegen Preisbindungsvorschriften darstellt (§§ 78 AMG, 1, 3 AMPreisV) und daher unlauter im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG ist, ist vom Bundesgerichtshof abschließend entschieden (vgl. nur BGH GRUR 2010, 1133 - Bonuspunkte) und wird auch von den Parteien nicht in Zweifel gezogen.

2.

Um in Fallgestaltungen wie der Vorliegenden eine Spürbarkeitsgrenze im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG zu entwickeln, hat der Bundesgerichtshof den Rechtsgedanken der Regelung des § 7 Abs. 1 HWG herangezogen, der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWG auch die produktbezogene Werbung für Arzneimittel erfasst. Dieser Weg ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs (a.a.O.. - Bonuspunkte) eröffnet, weil § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 2. Halbsatz HWG bei preisgebundenen Arzneimitteln lediglich Barrabatte verbiete, sonstige Werbegaben unter den Voraussetzungen der § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 3, 4 und 5 HWG aber möglich seien. Sei die Werbegabe eine geringwertige Kleinigkeit im

Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Fall 2 HWG, dann liege arzneimittelrechtlich kein spürbarer Verstoß vor. Deshalb sei zu prüfen, ob die Werbung im Falle ihrer Produktbezogenheit zulässig wäre. Eine geringwertige Kleinigkeit nimmt der Bundesgerichtshof für die Fälle an, dass Gegenstände von so geringem Wert gewährt werden, dass eine relevante unsachliche Beeinf...

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