Leitsatz (amtlich)
1. Grundsätzlich kommt eine Haftung (der Baugenehmigungsbehörde) wegen rechtswidrig erteilter Baugenehmigung - hier wegen fehlender Standsicherheit eines Gebäudes - auch ggü. dritten - nicht am Baugenehmigungsverfahren beteiligten - Personen dann in Betracht, wenn Schutz und Leben dieser dritten Personen oder deren Sachgüter durch das statisch fehlerhafte Bauwerk beeinträchtigt werden.
2. Allerdings ist der von der Baugenehmigungsbehörde hinzugezogene Prüfingenieur in der Regel nicht verpflichtet, zusätzlich zur Überprüfung der eingereichten Statikerunterlagen eine eigene Überprüfung der Bausubstanz des Gebäudes vorzunehmen, für das die Baugenehmigung beantragt wurde, es sei denn, es lägen konkrete Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer weiteren Prüfung (der Bausubstanz) vor.
3. Wird der Amtshaftungsanspruch des Geschädigten mithin allein auf die zu Unrecht angenommene Verletzung einer eigenen Prüfpflicht (bzgl. der Bausubstanz eines Gebäudes) der für "ihren" Prüfingenieur haftenden Genehmigungsbehörde gestützt, scheitert ein Amtshaftungsanspruch dann, wenn eine solche Prüfpflicht im konkreten Fall nicht bestand.
Verfahrensgang
LG Gera (Urteil vom 06.01.2004; Aktenzeichen 2 O 1085/03) |
Tenor
Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Gera vom 6.1.2004 - Az.: 2 O 1085/03 - durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
Der Klägerin wird Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu bis zum 8.7.2004 eingeräumt.
Gründe
Die Klägerin - eine Gerüstbaufirma - begehrt Schadensersatz wegen Zerstörung eines Baugerüsts beim Einsturz des "Roten Turms" in J. am 7.8.1995. Ihr war mit Vertrag vom 19.8.1994 von der Fa. F. Bauunternehmen GmbH der Auftrag erteilt worden, für die Sanierungsarbeiten am "Roten Turm" ein Gerüst anzuliefern und aufzubauen. Das Grundstück, auf dem der Turm stand, gehörte ursprünglich der Beklagten. Im Mai 1994 ließ sie das Grundstück an die Fa. F. Bauunternehmen GmbH auf. Diese beauftragte im Juni 1994 den Dipl.-Ing. H. mit der Ausarbeitung eines Sanierungsvorschlags und Ingenieurleistungen zur Tragwerksplanung. H. legte am 3.8.1994 der Beklagten als zuständiger Bauaufsichtsbehörde die Bauunterlagen einschließlich der statischen Berechnungen zur Genehmigung vor. Nach dem Sanierungskonzept war vorgesehen, dass die 30 cm dicken Deckenplatten aus Stahlbeton in allen Geschossen auf das Außenmauerwerk aufgelegt wurden, wobei die Lasten punktuell über Auflagerpratzen von 50 cm Breite in das Mauerwerk eingetragen werden sollten. Im Turminnern sollten die Decken auf der Wand der neuen Stahlbetontreppe aufliegen. Für seine Berechnungen hatte H. eine Mauerwerksfestigkeit der Steinfestigkeitsklasse 12/Mörtelgruppe I zu Grunde gelegt, ohne zuvor - wie die Klägerin in einem früheren Prozess vor dem LG Gießen behauptet hat - Proben des 100 Jahre alten Mauerwerks entnommen und diese in einem Prüflabor einer Materialprüfungsanstalt einem tatsächlichen Belastungstest unterworfen zu haben. Die Beklagte beauftragte den Streitverkündeten, der Prüfingenieur für Baustatik ist, mit der Überprüfung der statischen Unterlagen. Dieser stellte unter dem 30.8.1994 ggü. der Beklagten fest, dass keine Bedenken - auch nicht in statischer Hinsicht - gegen das geplante Sanierungsvorhaben bestünden, dieses vielmehr den gesetzlichen Anforderungen entspreche; einen entsprechenden Prüfbericht sandte er am 2.9.1994 der Beklagten zu. Diese erteilte daraufhin unter dem 21.10.1994 die Baugenehmigung.
Nach Beginn der Bauarbeiten im November 1994 lieferte die Klägerin im Januar 1995 das Gerüst an und baute dieses auf. Anfang August 1995 waren die Rohbauarbeiten nahezu abgeschlossen; die Stahlbetondecken einschließlich der Treppenanlage waren eingebaut, als es anlässlich von Stemmarbeiten im Zusammenhang mit dem Einbau der Fenster im 1. OG zum Einsturz des Turmes kam. Das im Eigentum der Klägerin stehende Gerüst wurde dabei vollständig zerstört.
Als Einsturzursache steht fest, dass die Betondecken auf nicht ausreichend tragfähiges Gestein aufgelegt worden waren. Das insgesamt 51 cm dicke zweischalige Mauerwerk des "Roten Turms" bestand im 1. OG nicht durchgängig aus gebrannten Ziegeln, vielmehr nur die 13 cm dicke Außenschale, die 38 cm dicke Innenschale bestand in großflächigen Bereichen dagegen aus sog. Kalktuffstein. Bei Kalktuffstein handelt es sich um einen Stein von geringer(er) Druckfestigkeit; seine Festigkeit entspreche nur etwa 5 % des Vormauerziegels. Mauerwerk mit einer derart geringen Festigkeit darf nach heutigen Vorschriften nicht als tragendes Mauerwerk verwendet werden. Als im Rahmen der Stemmarbeiten am 7.8.1995 nahezu die gesamte Außenschale im 1. OG entfernt worden war, habe die Innenschale aus Tuffstein die gesamte Last übernehmen müssen und versagt.
Die Klägerin meint, die Erteilung der Baugenehmigung sei rechtswidrig erfolgt. Der von der Beklagten beauftragte Streithelfer habe die Pflicht gehabt, die statisch in Anspruch genommene Bausubstan...