Entscheidungsstichwort (Thema)

Dienstleistungskonzession; Vergaberecht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Vergabe einer Dienstleistungskonzession unterliegt nicht dem Vergaberechtsregime der europäischen Richtlinien und der §§ 97 ff. GWB. Nachprüfungsanträge an die Vergabekammern sind daher unzulässig.

2. Eine Dienstleistungskonzession liegt vor, wenn der Auftragnehmer von dem öffentlichen Auftraggeber kein Entgelt, sondern das Recht erhält, Entgelte von Dritten zu erheben und das mit der Dienstleistung verbundene Risiko vollständig oder zu einem wesentlichen Teil auf den Auftragnehmer übertragen wird. Der Auftraggeber braucht dabei nur dasjenige Risiko übertragen, dem er unterliegt, wenn er die Dienstleistung selbst erbringen würde.

3. Für die Abgrenzung zwischen Dienstleistungskonzession und Dienstleistungsauftrag ist es unerheblich, ob die Übertragung der betreffenden Dienstleistung als Pflichtaufgabe der öffentlichen Hand auf Dritte öffentlich-rechtlich zulässig ist.

 

Normenkette

RL 2004/17/EG Art. 1 Abs. 3; GWB §§ 99, 114, 123

 

Verfahrensgang

Vergabekammer des Freistaats Thüringen (Beschluss vom 24.01.2008; Aktenzeichen 360-4003.20-4253/2007-034-GTH)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Vergabestelle wird der Beschluss der Vergabekammer des Freistaats Thüringen vom 24.1.2008 abgeändert.

Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin - in Gestalt des Antrags auf Feststellung einer Rechtsverletzung - wird als unzulässig abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat die Antragstellerin zu tragen, die der Vergabestelle deren notwendigen Auslagen für das Verfahren vor der Vergabekammer zu erstatten hat. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts für dieses Verfahren durch die Vergabestelle wird für notwendig erklärt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens - auch diejenigen des Vorabentscheidungsverfahrens vor dem Europäischen Gerichtshofs - einschließlich der notwendigen Auslagen der Vergabestelle und der Beigeladenen zu 1 und 2 hat die Antragstellerin zu tragen.

 

Gründe

I. Die Vergabestelle, ein Wasser- und Abwasserzweckverband, wollte die Durchführung der ihr nach öffentlich-rechtlichen Regeln zugewiesenen Aufgabe der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung (§§ 58 Abs. 1, 4, 61 Abs. 1 ThürWG) auch nach Auslaufen eines hierzu mit der Beigeladenen zu 1 geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrags von einem externen Betreiber wahrnehmen lassen. Den hierzu geeigneten Bewerber wollte sie in einem nichtförmlichen, d.h. nicht dem Vergaberechtsregime der §§ 97 ff. GWB unterstellten - nach ihren Angaben gleichwohl "transparenten und strukturierten" - Bieterverfahren ermitteln, welches, begrenzt auf maximal fünf Teilnehmer, ähnlich wie ein Verhandlungsverfahren ausgestaltet sein sollte.

Zu diesem Zweck veröffentlichte die Vergabestelle - ohne aus ihrer Sicht vergaberechtlich hierzu verpflichtet zu sein - im September 2007 eine europaweite Vergabebekanntmachung, wonach sie dem zu ermittelnden Konzessionär eine Dienstleistungskonzession für die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung in ihrem Verbandsgebiet für die Dauer von zwanzig Jahren zzgl. einer Verlängerungsoption von fünf Jahren zu erteilen beabsichtigte.

Im Einzelnen sah das in den Vergabebedingungen festgelegte Betreibermodell vor, dass der Konzessionär sich verpflichtete, im Verbandsgebiet nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen jedermann mit Wasser in Trinkwasserqualität zu versorgen und die gesetzliche Abwasserbeseitigungspflicht sicherzustellen. Dabei hatte er seine Leistungen ggü. den jeweiligen Wasser- und Abwasserkunden im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zu erbringen (Vergabebekanntmachung Ziff. II 1.6, § 2 Abs. 1 des Wasserversorgungs- bzw. Entsorgungsvertrags), deren rechtliche Grundlage der Abschluss entsprechender privatrechtlicher Verträge mit diesen bildete. Die hieraus resultierenden privatrechtlichen Entgelte hatte der Konzessionär nach billigem Ermessen gem. § 315 Abs. 3 BGB zu kalkulieren und diese nach Art und Höhe "alleinverantwortlich" festzusetzen (§ 6 Abs. 3 des Wasserversorgungs- bzw. des Entsorgungsvertrags). Zugleich unterlag der Konzessionär jedoch einer Beschränkung insoweit, als er bis 31.12.2009 die derzeit gültigen Entgelte zu erheben und anschließend - im Zeitraum ab 1.1.2010 - die dann maßgeblichen Wasser- und Abwasserentgelte nach den jeweils einschlägigen rechtlichen Grundlagen - insbesondere entsprechend den Grundsätzen des Thüringer Kommunalabgabengesetzes (THürKAG) - zu kalkulieren und erheben hatte (§ 6 Abs. 3 lit. a, lit. b des Wasserversorgungs- bzw. des Entsorgungsvertrags). Die Anlagen der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung verblieben im Eigentum der Vergabestelle, die auch künftig als Aufgabenträger fungieren und die diesbezüglichen Investitionen tätigen sollte. Die Anlagen der Wasserversorgung sollten für den Vertragszeitraum vom Konzessionär gepachtet werden, dem zugleich ihre Instandhaltung oblag. Er hatte an die Vergabestelle einen Pachtzins zu entrichten, den er in der Kalkulation der Wasserentgelte berücksichtigen...

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