Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Mithaftung eines Hilfe leistenden, an der linken Straßenseite anhaltenden Autofahrers
Verfahrensgang
LG Erfurt (Entscheidung vom 11.07.2008; Aktenzeichen 3 O 27/08) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten zu 3., 4. und 5. wird das Teilgrund- und Teilendurteil des Landgerichts Erfurt vom 11.07.2008 wie folgt abgeändert:
Die Klage gegen die Beklagten zu 3., 4. und 5. wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Dem Rechtsstreit liegt ein Verkehrsunfall zugrunde, der sich am 01.05.2005 gegen 0.36 Uhr in Bn OT L ereignete. Bei diesem Verkehrsunfall wurde der mit den Füßen am Bordstein und dem Kopf in Richtung Fahrbahnmitte quer auf der Fahrbahn liegende Kläger von dem Fahrzeug des Beklagten zu 1. , einem BMW 3/1, amtliches Kennzeichen, komplett überrollt und erlitt schwerste Verletzungen. Der Kläger war zum Unfallzeitpunkt stark alkoholisiert, seine Blutalkoholkonzentration betrug 2,27 Promille. Der Beklagte zu 1. sowie die Beklagte zu 2. als Haftpflichtversicherer sind unter Berücksichtigung eines anspruchsmindernden Mitverschuldens des Klägers dem Grunde nach rechtskräftig verurteilt, dem Kläger 60% des hierdurch erlittenen Schadens zu ersetzen.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Entscheidung des Landgerichts nur insoweit, als auch die Beklagten zu 3., 4. und 5. zum Schadensersatz verurteilt worden sind.
Die Beklagte zu 4. hatte das von ihr zum streitgegenständlichen Zeitpunkt geführte und bei der Beklagten zu 5. haftpflichtversicherte Fahrzeug des Beklagten zu 3., einen Suzuki Baleno, amtliches Kennzeichen, auf der von ihr gesehen linken Fahrbahnhälfte angehalten, um nach dem Kläger zu sehen. Der auf der Beifahrerseite sitzende Beklagte zu 3. war gerade im Begriff auszusteigen, als sich der Beklagte zu 1. mit seinem BMW näherte. Weil seine Fahrbahnhälfte durch den Suzuki Baleno des Beklagten zu 3. versperrt war, wich der Beklagte zu 1. auf die andere Fahrbahnhälfte aus. Dabei überrollte er den Kläger mit einer Geschwindigkeit zwischen 41 und 55 km/h.
Das Landgericht hat zu Lasten der Beklagten zu 3., 4. und 5. eine Haftung in Höhe von 20% angenommen, weil das Anhalten auf der linken Fahrbahnhälfte nicht dem Verhalten eines Idealfahrers entspreche und die Beklagte zu 4. hierdurch eine Gefahr für den Kläger geschaffen habe, welche sich realisiert habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand in erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Mit ihrer Berufung rügen die Beklagten zu 3., 4. und 5., das Landgericht habe übersehen, dass zu ihren Lasten ausschließlich eine Haftung aus Betriebsgefahr in Betracht käme und diese im Rahmen der Haftungsabwägung hinter dem schweren Verschulden des Klägers zurücktreten müsse. Auch nach der Neufassung des § 7 Abs. 2 StVG könne die Betriebsgefahr eines Fahrzeugs hinter das grobe Verschulden eines nicht motorisierten Verkehrsteilnehmers völlig zurücktreten.
Sie beantragen,
die Klage gegen die Beklagten zu 3., 4. und 5. unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Erfurt vom 11.07.2008, Az.: 3 O 27/08, abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
II.
Die gemäß §§ 511 Abs. 1, 2 Nr. 1, 517, 519, 520 ZPO zulässige Berufung ist begründet.
1.
Der Kläger hat gegen die Beklagten zu 3., 4. und 5. keinen Anspruch aus §§ 7, 18 StVG, 3 PflVG a.F. (jetzt: § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG) auf Ersatz des ihm durch das Unfallereignis am 01.05.2005 entstandenen Schadens. Der Verursachungsanteil der Beklagten zu 4. tritt hinter dem gemäß § 9 StVG i.V.m. § 254 BGB zu berücksichtigenden ursächlichen Eigenverschulden des Klägers zurück.
Die Haftung der Beklagten beschränkt sich auf die einfache Betriebsgefahr des von der Beklagten zu 4. geführten Suzuki Baleno.
Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte zu 4. schuldhaft zu dem Unfallgeschehen beigetragen hat, bestehen nicht.
Ein kausales Verschulden der Beklagten zu 4. folgt nicht aus § 12 Abs. 4 Satz 2 StVO. Danach ist zum Halten und Parken eines Kfz der rechte Seitenstreifen oder der rechte Fahrbahnstreifen zu benutzen. Unstreitig hat die Beklagte zu 4. das Fahrzeug des Beklagten zu 3. auf der linken Fahrbahn abgestellt. Hierdurch hat sich die Beklagte zu 4. zwar objektiv verkehrswidrig verhalten. Gleichwohl ist dieses Fehlverhalten der Beklagten zu 4. im Rahmen der beiderseitigen Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile nicht zu berücksichtigen. Denn nicht verkehrsgerechtes Verhalten bleibt außer Betracht, wenn der Schaden außerhalb des Schutzzwecks der nicht beachteten Norm liegt, und zwar selbst dann, wenn das Verhalten zum Schaden beigetragen hat ( OLG Bamberg VersR 1987, 1137; OLG Köln VRS 99, 401 ; OLG Hamburg NZV 1992, 281).
Dies ist vorliegend der Fall.
Das grundsätzliche Verbot des Parkens und Haltens auf der Fahrbahn außerhalb des Seitenstreifens oder des rechten Fahrbahnrands dient der Leichtigkeit und Siche...