Verfahrensgang

LG Mühlhausen (Urteil vom 20.06.2013; Aktenzeichen 1 HKO 67/12)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 19.05.2015; Aktenzeichen II ZR 176/14)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Mühlhausen vom 20.06.2013, Az. 1 HKO 67/12, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des LG Mühlhausen ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung aus den Urteilen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die auf der Hauptversammlung der nicht börsennotierten Beklagten vom 29.08.2008 zu den Tagesordnungspunkten 3 ff. gefassten Beschlüsse nichtig sind.

Mit dem angefochtenen Urteil vom 20.06.2013 hat das LG die Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse antragsgemäß festgestellt. Wegen der tatsächlichen Feststellungen und der Entscheidungsgründe wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO.

Mit ihrer Berufung rügt die Beklagte, das LG gehe unzutreffend von dem angeblichen Grundsatz der Unteilbarkeit der Protokollierung aus. Der Wortlaut des § 130 Abs. 1 Aktiengesetz spreche eindeutig nur von einer Beurkundungspflicht eines jeden Beschlusses, nicht jedoch von der Beurkundungspflicht der Hauptversammlung insgesamt. Letzteres würde den Gründen der Einführung der so genannten "kleinen Aktiengesellschaft" widersprechen, da es Ziel gewesen sei, solche Aktiengesellschaften von den allzu starren Vorschriften für die börsennotierten Aktiengesellschaften zu befreien, und dem auch die geänderte Fassung des § 130 Aktiengesetz dienen solle. Es sei nicht erkennbar, weshalb bei klar trennbaren Beschlüssen solche Beschlüsse, welche nach dem Gesetz keine Dreiviertel- oder größere Mehrheit vorsehen würden, nicht der erleichterten Protokollierungsform unterfallen sollten. Ordentlich protokollierte Beschlüsse würden sich nicht widersprechen und es sei nicht erkennbar, weshalb Verfahrensbeschlüsse nicht eindeutig zuordnenbar sein sollten. Bei richtiger Auslegung des § 130 Abs. 1 Aktiengesetz gelange man zum Gegenteil des angeblichen Grundsatzes der Unteilbarkeit des Hauptversammlungsprotokolles.

Selbst wenn man aber der Rechtsauffassung des LG zur "Unteilbarkeit der Protokollierung" folgte, habe das LG doch übersehen, dass der Beschluss zu Tagesordnungspunkt 4 in keinem Zusammenhang mit einem Formmangel und dessen Heilung und auch nicht im Zusammenhang mit der so genannten "Unteilbarkeit der Protokollierung" stünde. Vielmehr gehe es bei dieser Beschlussfassung um Ergänzungen und Änderungen der Satzung. Zwar treffe es zu, dass die Satzungsänderung in § 7 der Satzung gegen § 202 Abs. 1 Aktiengesetz verstoße. Die übrigen Satzungsänderungen seien jedoch nicht zu beanstanden. Es handele sich inhaltlich mithin um einen Beschluss, der in einem Teil fehlerhaft und in den übrigen Teilen einwandfrei beschlossen worden sei. Darauf könne § 139 BGB angewendet werden. Hätte das LG sich damit beschäftigt, wäre es zu dem Ergebnis gelangt, dass die Annahme der Nichtigkeit der von dem Mangel nicht erfassten Teilbeschlüsse nicht geboten sei.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteils des LG Mühlhausen, Az. 1 HKO 67/12, die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Die Klägerin trägt vor, das LG habe zu Recht die Auffassung vertreten, dass sämtliche Verstöße wegen Verstoßes gegen § 241 Nummer 2 Aktiengesetz nichtig seien. Der Grundsatz von der Unteilbarkeit der Hauptversammlung entspräche der ganz herrschenden Meinung im Schrifttum. Eine Aufteilung in eine notarielle und privatschriftliche Niederschrift würde entgegen § 130 Abs. 5 Aktiengesetz dazu führen, dass zwei Niederschriften mit einem womöglich einander widersprechenden Inhalt zum Handelsregister einzureichen wären. Verfahrensbeschlüsse könnten mangels eindeutiger Zuordnung zu dem einen oder anderen Sachbeschluss nicht hinreichend erfasst werden. Schließlich wäre auch nicht klar, welcher der beiden Protokollführer jederzeit mögliche Widersprüche zu protokollieren hätte.

§ 139 BGB finde auf Beschlüsse in der Hauptversammlung von Aktiengesellschaften keine Anwendung. Selbst wenn man § 139 BGB bei "zusammengesetzten Beschlüssen" für grundsätzlich anwendbar halte, sei der angegriffene Beschluss zur Satzungsänderung nicht teilbar. Der Wortlaut des Beschlusses spreche eindeutig von einer Neufassung der Satzung. Damit komme klar zum Ausdruck, dass gerade nicht nur einzelne Bestimmungen geändert werden sollten. Es sei für die Aktionäre nicht ersichtlich, ob einzelne geänderte Bestandteile auch isoliert geändert werden sollten. Vielmehr lasse sich aus dem Wortlaut des Beschlusses allei...

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