Entscheidungsstichwort (Thema)

Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners bei Umschulung

 

Verfahrensgang

AG Gera (Urteil vom 11.02.2003; Aktenzeichen 2 F 698/02)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des AG Gera vom 11.2.2003 – 2 F 698/02 – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger – der Vater des am 11.11.1990 geborenen Beklagten – erstrebt den Wegfall seiner Kindesunterhaltspflicht ab dem 1.11.2001.

Der im Jahr 1971 geborene Kläger absolvierte bis September 1989 eine Ausbildung zum Facharbeiter für maschinelle Blechumformung, die Schweißen, Fräsen und Drehen umfasste. Anschließend war er bis Dezember 1990 im Räderwerk R. beschäftigt.

Am 1.1.1991 trat er in die Bundeswehr ein und leistete bis 1998 Wehrdienst als Munitionsunteroffizier. Während dieser Zeit erwarb er den Lastkraftwagen-Führerschein und am 14.12.1998 die Fachschulreife.

Von Januar 1999 bis Mai 1999 war er arbeitslos.

Von Juni 1999 bis Dezember 2000 arbeitete der Kläger als Kraftfahrer im Fernverkehr. Im Januar 2001 war er arbeitslos und von Februar 2001 bis April 2001 als Lagerarbeiter beschäftigt. Danach war er wieder arbeitslos.

Seine Umschulung zum Fachinformatiker, Fachrichtung Anwendungsentwicklung, begann am 19.7.2001 und sollte am 18.7.2003 enden. Wegen Fehlzeiten aufgrund Krankheit von fünf Wochen erhielt er keine Zulassung zur IHK-Abschlussprüfung. Ab 14.7.2003 bezog der Kläger Arbeitslosengeld i.H.v. monatlich 689,17 Euro.

Vom 21.7. bis zum 15.8.2003 absolvierte er ein Betriebspraktikum bei der Fa. L. GmbH in D. Seit 18.8.2003 hat der Kläger bei diesem Betrieb eine Anstellung als Fahrer mit einem Bruttoverdienst von 1.800 Euro; seine Prozessbevollmächtigte errechnet ein Nettoeinkommen von 1.175,67 Euro.

Im Vergleich des AG Altenburg vom 9.11.1998 – Az. 95/97 – hat sich der Kläger verpflichtet, an den Beklagten Kindesunterhalt i.H.v. 340 DM = 173,83 Euro (450 DM abzgl. Kindergeldanteil i.H.v. 90 DM) zu zahlen.

In Abänderung dieses Vergleiches hat das AG Gera auf Antrag des Beklagten im Verfahren nach §§ 2 Unterhaltstitelanpassungsgesetz, 655 ZPO durch Abänderungsbeschluss vom 5.7.2002 – Az. 2 FH 254/01 – den Kläger verpflichtet, gem. § 2 Regelbetrag-Verordnung folgenden Unterhalt zu zahlen: ab 1.11.2001 einen Festbetrag von 420 DM = 214,74 Euro (450 DM abzgl. 30 DM anrechenbarer kinderbezogener Leistungen) und ab 1.1.2002 einen Festbetrag von 208 Euro (231 Euro abzgl. 23 Euro anrechenbarer kinderbezogener Leistungen).

Der Kläger hat im Wesentlichen die Ansicht vertreten, er sei für die Dauer seiner Umschulung leistungsunfähig.

Er hat beantragt: Unter Abänderung des Vergleiches des AG Altenburg vom 9.11.1998 und unter Abänderung des Beschlusses des AG Gera vom 5.7.2002 wird der Kläger verurteilt, ab 1.11.2001 einen Unterhaltsbetrag i.H.v. 0 Euro zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat die Ansicht vertreten, der Kläger habe alles in seiner Macht Stehende zu tun, um ein ausreichendes Arbeitseinkommen zu erzielen. Dies sei dem Kläger als Kraftfahrer oder Schweißer möglich. Er könne sich wegen der Umschulung nicht auf Leistungsunfähigkeit zurückziehen, da er Unterhalt für ein minderjähriges Kind zu leisten habe und ihn damit eine gesteigerte Leistungsfähigkeit treffe.

Das AG hat durch Urteil vom 11.2.2003 der Klage stattgegeben. Der Beklagte hat gegen dieses ihm am 13.2.2003 zugestellte Urteil mit einem bei dem Berufungsgericht am 10.3.2003 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Diese hat er mit einem am 3.4.2003 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Beklagte ist der Ansicht, der Kläger habe in seinem erlernten Beruf eine Tätigkeit aufnehmen können. Außerdem habe er die staatlich gewährten Ausbildungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten während seiner Bundeswehrzeit und danach in Anspruch nehmen müssen oder weiterhin als Kraftfahrer arbeiten können. Die Umschulung sei arbeitsmarktpolitisch nicht sinnvoll, der Arbeitsmarkt für Fachinformatiker sei gesättigt.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des AG Gera wird aufgehoben und die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung (auf die Ausführungen in der Berufungserwiderung vom 14.7.2003, Bl. 112 ff. d.A., und in den Schriftsätzen vom 19.5.2003, Bl. 84 ff. d.A., vom 21.8.2003, Bl. 119 ff., und vom 1.9.2003, Bl. 139 ff. d.A., wird Bezug genommen).

II. Die Berufung des Beklagten ist zulässig; sie ist statthaft und auch i.Ü. in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.

Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Die Änderungskorrekturklage (§ 656 ZPO), gerichtet auf Herabsetzung des Unterhalts auf – erneut – 340 DM = 173,83 Euro, und die Abänderungsklage (§ 323 Abs. 1 ZPO), gerichtet auf Wegfall der Kindesunterhaltspflicht, sind unbegründet.

Für die Zeit ab 18.8.2003 ist der Kläger leistungsfähig, da er seitdem ein Nettoeinkommen i.H.v. 1.175 Euro hat. Für die Zeit davor ist er als ...

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