Leitsatz (amtlich)

1. Der Versicherungsvertrag nach dem VVG (=Versicherungsvertragsgesetz) enthält einen grundlegenden Unterschied zu dem sonstigen Vertragstypus des Allgemeinen Schuldrechts des BGB. Aus dem Gesamtgefüge der §§ 61 ff. VVG a.F. ergibt sich, dass vertragliche Obliegenheiten grundsätzlich nur den Versicherungsnehmer, nicht aber den Versicherer treffen.

2. Mit der in §§ 62, 63 VVG a.F. normierten Rettungsobliegenheit - diese gelten für den gesamten Bereich der Schadensversicherung - wird der Versicherungsnehmer angehalten, die Entwicklung des Schadens nicht sich selbst zu überlassen, sondern um seine Abwendung und, wenn dies nicht (mehr) möglich ist, um seine Eindämmung bemüht zu sein.

3. Im Rahmen des § 62 VVG ist der Versicherer nicht verpflichtet, dem Versicherungsnehmer Weisungen zu erteilen, wie der Schaden abgewendet oder gemindert werden kann. Der Versicherer hat (nur) ein Weisungsrecht, aber keine Weisungspflicht. Erteilt er dem Versicherungsnehmer Weisungen, können (nur) schuldhaft fehlerhafte Weisungen einen Schadensersatzanspruch des Versicherungsnehmers nach § 280 Abs. 1 BGB auslösen, wenn der - durch die fehlerhafte Weisung - entstandene Schaden die sonst geschuldete Versicherungsleistung übersteigt.

 

Normenkette

BGB § 280 Abs. 1; VVG § 62 a.F., § 63; VGB-88 § 9 Nr. 4e

 

Verfahrensgang

LG Gera (Urteil vom 11.10.2008; Aktenzeichen 2 O 125/06)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Gera vom 11.10.2008 - 2 O 125/06, wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil - unter Aufrechterhaltung im Übrigen - insoweit abgeändert, als die Beklagte zur Zahlung verurteilt ist. In diesem Umfang wird der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen.

Von den Gerichtskosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger 1/3 zu tragen, die restlichen 2/3 werden niedergeschlagen.

Im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung dem LG vorbehalten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 25.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien sind durch eine Gebäudeversicherung vertraglich verbunden und streiten über die Einstandspflicht der Beklagten aus dem Versicherungsvertrag.

Der Kläger ist Eigentümer des Hauses H. straße Nr. 18 in G.

Am 13.2.2003 stellte er einen Wasserschaden fest. Aus der Deckenkonstruktion tropfte Wasser in das im Erdgeschoss gelegene Ladengeschäft der Ehefrau des Klägers. Ursache hierfür war eine Heizungsleckage im Obergeschoss.

Der Kläger hat im Frühjahr 2003 Maßnahmen zur Behebung des Wasserschadens getroffen (Austausch des defekten Pressringes an einem Heizungsrohr der Obergeschosswohnung, zehntägige maschinelle Fußbodentrocknung). Hierfür erhielt er von der Beklagten eine Versicherungsleistung i.H.v. 1.000 EUR.

Im Sommer 2004 stellte der Kläger fest, dass die Möbel in der im Obergeschoss gelegenen Küche in den Fußboden einsanken. Über die Ursache dieses Schadensbildes führten die Parteien unter dem Aktenzeichen 3 OH 1/05 ein selbständiges Beweisverfahren vor dem LG Gera. Das Gutachten des Sachverständigen König stellt einen durch Feuchtigkeitseinwirkung hervorgerufenen intensiven Pilzbefall (Brauner Hausschwamm) der Holzdielen des Küchenfußbodens fest.

Der Kläger nimmt die Beklagte mit dem Behaupten der Ursächlichkeit der Heizungshavarie des Jahres 2003 für die schwammbedingte Zerstörung des (Obergeschoss-)Holzfußbodens und der (Erdgeschoss-)Holzbalkendecke im Wege der Leistungs- und Feststellungsklage auf Versicherungsleistung in Anspruch.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und der in der ersten Instanz gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Das LG Gera hat mit Urteil vom 11.10.2006 der Klage im Zahlungsantrag im Wesentlichen ( i.H.v. 16.665,65 EUR) stattgegeben. Begründet hat es dies neben der auf dem Gutachten des Sachverständigen K. beruhenden Feststellung einer Schadensursächlichkeit der Heizungshavarie des Jahres 2003 mit der tragenden Erwägung, der Beklagten sei eine zur Schadensersatzhaftung nach § 280 Abs. 1 BGB führende Verletzung der vertraglichen Nebenpflicht zur umfassenden Feststellung des Schadenshergangs und -umfangs vorzuwerfen.

Den Feststellungsantrag hat das LG mit der Begründung des fehlenden Feststellungsinteresses als unzulässig abgewiesen.

Das Urteil greifen beide Parteien mit der Berufung an.

Der Kläger verfolgt mit seiner Berufung den in der ersten Instanz abgewiesenen Feststellungsantrag und den abgewiesenen Teil (4.500 EUR) des Zahlungsantrages weiter.

Er rügt die Abweisung des Feststellungsantrages als rechtsfehlerhaft. Eine zur umfassenden Bezifferung des Schadens erforderliche eingehende Untersuchung (Aufreißen des Fußbodens weiterer Räume) sei ihm wegen der bereits den Anspruchsgrund in Abrede stellenden hartnäckigen Regulierungsverweigerung der Beklagten nicht zuzumuten.

Die Teilabweisung des Zahlungsantrages wird mit der Begründung als rechtsfehlerhaft g...

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