Leitsatz (amtlich)
1. In dem Leistungsangebot des Versorgungsunternehmens liegt ein Vertragsangebot in Form einer sog. Realofferte vor, das von demjenigen konkludent angenommen wird, der aus dem Leitungsnetz des Versorgungsunternehmens Elektrizität, Gas, Wasser oder Fernwärme entnimmt.
2. Für die Frage, wem die tatsächliche Entnahme als eine auf den Abschluss eines Versorgungsvertrags gerichtete Willenserklärung zuzurechnen ist, kommt es nicht auf die Eigentümerstellung als solche, sondern auf die dadurch vermittelte Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss an.
Verfahrensgang
LG Gera (Urteil vom 09.06.2006; Aktenzeichen 4 O 2458/03) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Gera vom 9.6.2006 - Az.: 4 O 2458/03 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.263,93 EUR festgesetzt.
Gründe
Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen (§§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO).
Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
Das LG Gera hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Der Beklagte ist nicht passivlegitimiert.
Der Beklagte ist weder zur Bezahlung von Strom und Gas, geliefert im Zeitraum vom 1.12.2000 bis 31.12.2002, noch zur Bezahlung der Kosten im Zusammenhang mit dem Rückbau einer Gasleitung verpflichtet.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beklagte als Miterbe nach T. B. wirksam gem. § 1956 BGB die Versäumung der Ausschlagungsfrist angefochten hat.
Weder ist der Beklagte (neben seiner Schwester A. B.) als Miterbe nach T. B. aufgrund Gesamtrechtsnachfolge gem. § 1922 BGB Vertragspartner der Klägerin geworden noch handelt es sich um Erblasserschulden (von der Erblasserin T. B. herrührende Schulden) oder Nachlasserbenschulden (Verbindlichkeiten, die der Erbe bei der Verwaltung des Nachlasses eingeht), für die der Miterbe nach §§ 1967, 2058 BGB haftet.
Denn T. B. war ihrerseits zwar Miterbin der Erbengemeinschaft "T. B. u. V. K." und diese Erbengemeinschaft war bis zum Tod von T. B. am 20.8.1998 Eigentümerin des streitgegenständlichen Hauses, das die Klägerin mit Strom und Gas versorgt hat. Die Erbengemeinschaft bzw. die Eigentümer waren aber nicht Vertragspartner der Klägerin.
In dem Leistungsangebot des Versorgungsunternehmens ist grundsätzlich ein Vertragsangebot in Form einer sog. Realofferte zum Abschluss eines Versorgungsvertrages zu sehen, das von demjenigen konkludent angenommen wird, der aus dem Leitungsnetz des Versorgungsunternehmens Elektrizität, Gas, Wasser oder Fernwärme entnimmt (BGH, Urt. v. 26.1.2005 - VIII ZR 66/04, BGHReport 2005, 618 = NJW-RR 2005, 639-642; v. 17.3.2004 - VIII ZR 95/03, BGHReport 2004, 998 = NJW-RR 2004, 928-929; v. 16.7.2003 - VIII ZR 30/03, BGHReport 2003, 1185 = NJW 2003, 2902-2903; v. 30.4.2003 - VIII ZR 279/02, BGHReport 2003, 914 = NJW 2003, 3131-3132). Durch diesen Rechtsgrundsatz, der in § 2 Abs. 2 AVBEltV/AVBGasV/AVBWasserV/AVBFernwärmeV lediglich wiederholt ist, wird der Tatsache Rechnung getragen, dass in der öffentlichen leitungsgebundenen Versorgung die angebotenen Leistungen vielfach ohne ausdrücklich schriftlichen oder mündlichen Vertragsschluss in Anspruch genommen werden; dabei soll ein vertragsloser Zustand bei Energielieferungen vermieden, nicht aber dem Versorgungsunternehmen ein weiterer Vertragspartner verschafft werden (BGH, Urt. v. 17.3.2004, a.a.O.). Für die Frage, wem die tatsächliche Entnahme [von Fernwärme] als eine auf den Abschluss eines Versorgungsvertrags gerichtete Willenserklärung zuzurechnen ist, kommt es nicht auf die Eigentümerstellung als solche, sondern auf die dadurch vermittelte Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss an (BGH, Beschl. v. 20.12.2005 - VIII ZR 7/04 = WuM 2006, 207; vgl. BGH, Urt. v. 16.7.2003, a.a.O.); sie fehlt dem Grundstückseigentümer, der seine Verfügungsgewalt einem Dritten überlassen hat, z.B. durch einen Miet- oder Pachtvertrag (vgl. BGH, Beschl. v. 20.12.2005, a.a.O.).
Im Streitfall war und ist - allein - V. K. die Vertragspartnerin der Klägerin. Sie hat die Realofferte der Klägerin zum Abschluss eines Versorgungsvertrages angenommen, denn ihr hat die Erbengemeinschaft das Wohnhaus überlassen und sie - und nicht die Erbengemeinschaft - hat die Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss. Gas und Strom hat im Wesentlichen sie für sich entnommen. Anhaltspunkte dafür, dass V. K. bei Annahme der Offerte zum Abschluss des Versorgungsvertrages nicht für sich, sondern für die Erbengemeinschaft gehandelt hat, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Der Umstand, dass die Schwester des Beklagten zeitweise ebenfalls in dem Haus gewohnt (und Gas und Strom entnommen) hat, führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Schwester ist nicht Vertragspartnerin der Klägerin geworden, weder ausdrücklich noch konkludent. Die Voraussetzungen für einen konkludenten Vertragsschluss fehlen, wenn bereits ein Vertragsverhältnis zwischen dem Ve...