Entscheidungsstichwort (Thema)
Formelle und materielle Eignungsprüfung; bedingter Preisnachlass
Leitsatz (amtlich)
1. Zur formellen und materiellen Eignungsprüfung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge.
2. Schließt der öffentliche Auftraggeber in den Ausschreibungsunterlagen die Wertung bedingter Preisnachlässe aus, so ist er daran gebunden. Daran ändert der Umstand nichts, dass der Bieter den Preisnachlass als Nebenangebot bezeichnet.
Normenkette
VOB/A § 25 Nr. 1 Abs. 1b, § 8 Nr. 3, § 25 Nr. 2 Abs. 1, § 21 Nr. 1 Abs. 2 S. 5
Verfahrensgang
Vergabekammer beim Thüringer Landesverwaltungsamt (Beschluss vom 24.06.2009; Aktenzeichen 250-4002.20-3114/2009-005-SOK) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Vergabekammer beim Thüringer Landesverwaltungsamt vom 24.6.2009 in Nr. 1, 2, 4 und 5 des Tenors abgeändert.
Die Vergabestelle wird angewiesen, das Vergabeverfahren zu Los 2 beginnend mit der materiellen Eignungsprüfung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu wiederholen.
2. Die Kosten des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer sowie die Kosten des Beschwerdeverfahrens und des Antrags nach § 118 Abs. 1 GWB einschließlich der notwendigen Auslagen der Antragstellerin, auch soweit sie durch die Hinzuziehung von Rechtsanwälten entstanden sind, hat die Antragsgegnerin zu tragen.
Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Gründe
I. Die Vergabestelle hat im Februar 2009 die Bauleistung "Ringschluss, Teilvorhaben IV: Umrüstung Pumpwerk " europaweit im offenen Verfahren ausgeschrieben. Die Angebotsfrist endete am 7.4.2009.
Der ausgeschriebene Auftrag umfasste 4 Lose, nämlich Los 1 Bauteil, Los 2 Maschinentechnische Ausrüstung, Los 3 Elektro-, Mess-, Steuer- und Regeltechnische Ausrüstung sowie Los 4 Klimatechnik. Nach Nr. II.1.8. der Bekanntmachung sollten die Angebote für ein oder mehrere Lose eingereicht werden. Einziges Zuschlagskriterium sollte der niedrigste Preis sein. Angebotsschluss und Submissionstermin am 7.4.2009 waren im Stundentakt gestaffelt, u.a. für Los 1 um 10:00 Uhr und für Los 2 um 11:00 Uhr.
Nr. III.2) der Vergabebekanntmachung lautet auszugsweise wie folgt:
"III.2) Teilnahmebedingungen
...
III.2.3) Technische Leistungsfähigkeit:
Angaben und Formalitäten, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Auflagen zu überprüfen: - Der Bieter hat seine technische Leistungsfähigkeit gemäß VOB/A § 8 Nr. 3 Abs. (1) Buchst. c) bis g) nachzuweisen. Eine Bietergemeinschaft muss diesen Nachweis für alle Mitglieder der Bietergemeinschaft erbringen,
- Zusätzlich hat der Bieter durch Benennung von vergleichbaren Referenzobjekten (Technische Anforderungen, Umfang) mit Angabe des Ansprechpartners beim jeweiligen Auftraggeber den Nachweis der fachlichen Eignung zu erbringen. Eine Bietergemeinschaft muss diesen Nachweis für alle Mitglieder der Bietergemeinschaft für den jeweils vorgesehenen Leistungsteil erbringen."
Nr. 3.2. der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots lautet wie folgt:
"3.2. Zum Nachweis der Eignung sind vorzulegen mit dem Angebot auf Verlangen der Vergabestelle folgende Unterlagen nach § 8 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A
a) b) c) d) e) f)"
Mit Ablauf der Angebotsfrist waren 12 Angebote für Los 2 sowie 2 Gesamtangebote für alle Lose eingegangen. Die Antragstellerin hat nur für Los 2 ein Angebot abgegeben und zwar das nach dem Submissionsprotokoll günstigste. Die Beigeladene hat Einzelangebote zu den Losen 1 und 2 sowie ein Gesamtangebot zu allen Losen abgegeben. Darüber hinaus hat sie in einem Nebenangebot einen Preisnachlass von 2,5 % auf alle Einheitspreis der Lose 1 und 2 für den Fall der gemeinsamen Vergabe der Lose 1 und 2 angeboten. Dieses Nebenangebot (im Folgenden: Koppelungsangebot) war nur dem Angebot für Los 1 beigefügt.
Mit ihrem Angebot hat die Antragstellerin eine Liste "Firmenreferenzen und persönliche Referenzen" mit 18 Referenzprojekten aus den Jahren 1996 bis 2009 sowie 2 persönliche Referenzschreiben der O GmbH für die Geschäftsführer der Antragstellerin G und G übergeben.
Mit Bieterinformation vom 11.5.2009 teilte die Vergabestelle der Antragstellerin mit, dass sie beabsichtige, den Zuschlag für das Los 2 der Beigeladenen zu erteilen. Das Angebot der Antragstellerin werde nach § 25 Nr. 2 VOB/A wegen begründeter Zweifel an der Fachkunde nicht berücksichtigt, weil die vorgelegten Unterlagen nach § 8 Nr. 3 Abs. 1b) VOB/A fehlten. Die vorgelegten Unterlagen wiesen keine vergleichbaren Objekte aus. Im Übrigen sei das Angebot der Antragstellerin auch nicht das preislich günstigste. Diese Entscheidung beanstandete die Antragstellerin mit Rüge vom 13.5.2009, der die Vergabestelle am 15.5.2009 nicht abhalf. Die Vergabestelle meinte, die Antragstellerin habe nur 5 Firmenreferenzen vorgelegt, die den Zeitraum der letzten 3 Jahre betreffen; nur diese seien zu prüfen. Nur 2 davon umfassten annähernd den Leistungsinhalt der Ausschreibung, wichen aber erheblich vom Ausschreibungsumfang ab. Auf die vorgelegten persönlichen Referenzen komme es ohnehin n...