Entscheidungsstichwort (Thema)
Staatshaftung: Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten
Normenkette
StHG § 1
Verfahrensgang
LG Gera (Urteil vom 12.12.2003; Aktenzeichen 2 O 2130/03) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des LG Gera vom 12.12.2003 - Az: 2 O 2130/03 - abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf eine Vollstreckung durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Erstattung von Anwaltskosten (60,75 EUR), die dem Kläger im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens gegen einen Beitragsbescheid des Beklagten entstanden sind.
Mit Bescheid vom 17.9.1999 (Anl. K 1) forderte der Beklagte den Kläger zur Zahlung eines Erschließungskostenbeitrages i.H.v. 1.298,94 DM für die Herstellung der öffentlichen Wasserversorgung auf. Hiergegen legte der Kläger zunächst ohne anwaltliche Hilfe Widerspruch ein (Anl. K 2) und beauftragte nach Nichtabhilfe durch den Beklagten (Anl. K 3) seine jetzige Prozessbevollmächtigte mit der weiteren Wahrnehmung seiner Interessen. Mit Anwaltsschreiben vom 13.11.2000 (Anl. K 4) trug diese ggü. der Beklagten vor, der Beitragsbescheid sei wegen formeller Fehler bei der Gründung des Beklagten und wegen materiell-rechtlicher Mängel der Satzung des Beklagten rechtswidrig. Für dieses Schreiben bezahlte der Kläger 60,75 EUR.
Mit Bescheid vom 18.11.2002 (Anl. K 6) hob der Beklagte die ggü. dem Kläger ergangenen Beitragsbescheide auf, nachdem das OVG Weimar sämtliche Verbandssatzungen, die sich der Beklagte in der Vergangenheit gegeben hatte, mit Urteil vom 1.10.2002 (Az: 4 N 213/02; Anl. K 7) sowie - in einem Verfahren mit einem anderen Zweckverband am 18.12.2000 (Az: 4 N 472/00) - eine auch von dem Beklagten in seiner Beitragssatzung verwendete Tiefenbegrenzungsregelung für nichtig erklärt hatte.
Die Nichtigkeit der Verbandssatzungen beruhte nach dem Urteil des OVG vom 1.10.2002 auf einem Veröffentlichungsmangel (im Impressum des Amtsblattes war eine Bezugsmöglichkeit der Satzungen nicht angegeben). Die auch von dem Beklagten angewendete Tiefenbegrenzungsregelung erklärte das OVG wegen Verstoßes gegen das Vorteilsprinzip des § 7 ThürKAG für nichtig.
Für die Zukunft hat der Beklagte neue Beitragsbescheide mit einer anderen Tiefenbegrenzung angekündigt (Anl. K≫;6).
Der Kläger stützt seinen Anspruch auf § 1 StHG.
Der Beitragsbescheid der Beklagten vom 17.9.1999 sei wegen fehlender rechtlicher Existenz des Beklagten und der Anwendung einer unzulässigen Tiefenbegrenzungsregelung rechtswidrig gewesen, was der Beklagte durch die Rücknahme des Bescheides eingeräumt habe.
Die Bekanntmachungsfehler seien für den Beklagten erkennbar gewesen. Der den Bescheid erstellende Mitarbeiter hätte ebenfalls die Rechtswidrigkeit des Beitragsbescheides erkennen müssen. § 1 StHG fände auf Kollektiventscheidungen kommunaler Zweckverbände Anwendung. Der Schutz eines Abgabenschuldners vor unbefugter Beitragserhebung sei ebenso wie die Tiefenbegrenzungsregelung drittgerichtet.
Der Kläger sei berechtigt gewesen, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Anwaltskosten seien dem Kläger als kausaler Schaden des rechtswidrigen Beitragsbescheides entstanden und fielen als Vermögensschaden unter den Anwendungsbereich des § 1 StHG. Eine anderweitige Ersatzmöglichkeit i.S.v. § 3 Abs. 3 StHG bestehe nicht, da das Thüringer Kommunalabgabengesetz (§ 15 ThürKAG i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 1 ThürVwVfG) für den Ersatz außergerichtlicher Kosten keine Anspruchsgrundlage biete, ihn andererseits aber auch nicht ausschließe.
Der Beklagte hält den geltend gemachten Anspruch für unbegründet.
Sein Handeln sei für die Entstehung der Anwaltskosten nicht kausal gewesen.
Wegen des Verzichts des Staathaftungsgesetzes auf subjektive Anforderungen sei eine restriktive Anwendung geboten. Deshalb könnten nur solche Schäden dem Verantwortungsbereich des handelnden Hoheitsträgers zugerechnet werden, die im Sinne des Tatbestandsmerkmales "zufügen" des § 1 StHG unmittelbar auf die "Eigenart der hoheitlichen Maßnahme" zurückzuführen sind, was bei bloßen Nebenwirkungen wie Anwaltskosten nicht der Fall sei. Diese stellten auch keine adäquat-kausale Folge rechtswidrigen staatlichen Handelns dar, da der Kläger anwaltlicher Hilfe im Widerspruchsverfahren nicht bedurft hätte. Im Übrigen habe der Kläger mit der Beauftragung eines Rechtsanwaltes gegen die ihm aus § 2 StHG obliegende Schadensabwendungspflicht verstoßen.
Der Beitragsbescheid sei nicht rechtswidrig, da zum damaligen Zeitpunkt die Nichtigkeit der Satzung noch nicht festgestellt war. Bis zur Feststellung der Nichtigkeit seien die Satzungen des Beklagten anzuwenden gewesen. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Beitragsbescheides hätten Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit der Verbandssatzung sowie der Tiefenbegrenzungsregelung...