Leitsatz (amtlich)
1. Im Rahmen einer Privathaftpflicht besteht grundsätzlich Versicherungsschutz für Gefahren, denen der Versicherungsnehmer als Privatperson im täglichen Leben ausgesetzt ist.
2. Ausgenommen von diesem Versicherungsschutz sind nach den Besonderen Bedingungen für die Privathaftpflichtversicherung - dort. Nr. 1 - Gefahren eines Betriebes, Berufes, Dienstes, Amtes, einer verantwortlichen Betätigung in Vereinigungen aller Art oder einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung.
3. Grundsätzlich ist der - vom Versicherungsschutz danach erfasste - Begriff der Gefahren des täglichen Lebens weit zu fassen. Erfasst werden daher auch nicht alltägliche, leichtsinnige und verbotene Tätigkeiten, soweit es sich hierbei nicht um die vom Versicherungsschutz ausgenommenen "ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigungen" handelt.
4. Die Abgrenzung fällt dann schwer, wenn unbeabsichtigt verursachte Schäden an Rechtsgütern Dritter im Zusammenhang mit Straftaten entstehen.
5. Beim Haftungsausschluss ist zunächst immer zu beachten, dass sich die die Haftpflicht auslösende Handlung in den Kreis einer allgemeinen Beschäftigung einordnen lässt, die ihrerseits bereits ungewöhnlich und gefährlich ist und deshalb in erhöhtem Maß die Gefahr der Vornahme schadensstiftender Handlungen in sich birgt.
6. Lässt sich die schadensstiftende Handlung - hier ein Fußtritt in eine Glasscheibe einer Eingangstür, wodurch das Glas zersplitterte und ein Splitter in das Auge einer dahinter stehenden Person traf, was eine irreparable Augenverletzung nach sich zog - nicht aus dem Zusammenhang einer bereits zuvor begonnenen Dauerstraftat trennen, liegt also nicht nur eine spontane und impulsive Reaktion als Verärgerung über einen zuvor erteilten Hausverweis vor, dann ist der Haftungsausschluss wegen einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung gegeben.
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Erfurt vom 10.6.2005 - Az.: 10 O 2391/04 - abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
Dem Kläger fallen die Kosten des Rechtsstreits (1. und 2. Instanz) zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert der Berufung wird auf 18.000 EUR festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt - im Rahmen seiner bei der Beklagten bestehenden Privathaftpflicht - Deckungsschutz für einen Vorfall am 15.2.2003 in Probstzella. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) und die Besonderen Bedingungen für die Privathaftpflichtversicherung (BHB), Stand 1.1.1995 zugrunde. Nach deren Nr. 1 ist versichert die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens - mit Ausnahme der Gefahren eines Betriebes, Berufes, Dienstes, Amtes (auch Ehrenamtes), einer verantwortlichen Betätigung in Vereinigungen aller Art oder einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung (Hervorhebung durch den Senat) - insb ...
Der Kläger wollte - nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils - gemeinsam mit einigen Freunden am
Abend des 15.2.2003 eine Veranstaltung im Kulturhaus in Probstzella besuchen. Ihm und seinen Begleitern wurde aber der Zutritt von Mitarbeitern des Sicherheitsdienstes verweigert. Im Rahmen der Auseinandersetzung zwischen der Gruppe um den Kläger und den Mitarbeitern des Sicherheitsdienstes zersplitterte die Glasfüllung der Eingangstür; ein herumfliegender Glassplitter verletzte den dahinter stehenden Zeugen A.S. am linken Auge. Hierdurch erlitt dieser eine Hornhautverletzung und verlor die Sehkraft auf diesem Auge.
Wegen dieses Vorfalls wurde der Kläger durch das AG Saalfeld am 15.7.2004 wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 20 EUR verurteilt (vgl. die beigezogene Akte 630 Js 35129/03 1 Ds); das Urteil ist rechtskräftig.
Das LG hat der (Feststellungs)Klage stattgegeben, es hat (trotz beigezogener Ermittlungs- und Strafakte - diese war Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 17.5.2005 -) nach einer persönlicher Anhörung des Klägers in dem genannten Termin ausschließlich dessen Vortrag, er sei, nachdem er von den Sicherheitsleuten nach draußen geschubst worden sei, in der Nähe der Eingangstür ins Straucheln gekommen und dabei versehentlich mit seinem Fuß gegen die Glasscheibe gekommen, worauf diese zu Bruch gekommen sei, seiner Entscheidung zugrunde gelegt und ausgeführt, dass auch nicht alltägliche, leichtsinnige und sogar verbotene Tätigkeiten vom Versicherungsschutz umfasst seien. Selbst unterstellt, der Kläger habe vorsätzlich gegen die Tür getreten, liege kein Haftungsausschluss wegen "ungewöhnlicher und gefährlicher Beschäftigung" vor, da nur eine impulsive und spontane Handlung vorgelegen habe. Wegen der Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil des LG Bezug genommen.
Mit ihrer gegen dieses Urteil form- und fristgerecht eingelegten...