Leitsatz (amtlich)
1. Auch ein - abstraktes - Schuldanerkenntnis schließt nicht in jedem Fall den Rückgriff auf das dem Anerkenntnis zugrunde liegende Schuldverhältnis aus. Denn die Rechtsbeziehungen, die zur Abgabe des Anerkenntnisses geführt haben, stellen zugleich dessen Rechtsgrund dar. Im Falle des Nichtbestehens bzw. Wegfalls des zum Anerkenntnis führenden Rechtsverhältnisses kann daher auch ein Anerkenntnis wegen ungerechtfertigter Bereicherung zurückgefordert werden.
2. Ob ein Schuldanerkenntnisvertrag i.S.d. § 781 BGB im konkreten Fall nach dem Willen der vertragschließenden Parteien den endgültigen Ausschluss etwaiger Einwendungen zur Folge haben soll, ist Auslegungsfrage.
Wollten die Parteien, ohne dass zwischen ihnen Streit über den Zahlungsanspruch gegen die eine Partei bestand, lediglich und ausschließlich zu Sicherungszwecken ein hiervon losgelöstes, abstraktes weiteres Schuldverhältnis (hier Schuldbeitritt) begründen, kann die aus dem Anerkenntnis in Anspruch genommene Partei dem in einer notariellen Urkunde tituliertem Anspruch die Bereicherungseinrede (nach § 821 BGB) entgegen halten, die auf Rückforderung des - abstrakten - Schuldanerkenntnisses gerichtet ist.
3. Der aus der Titelurkunde die Zwangsvollstreckung betreibenden Titelgläubigerin steht in diesem Fall der von Amts wegen zu beachtende rechtsvernichtende Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen.
Normenkette
ZPO § 767 Abs. 1; BGB §§ 242, 781, 812
Verfahrensgang
LG Meiningen (Urteil vom 30.08.2006; Aktenzeichen 3 O 393/06) |
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des LG Meiningen vom 30.8.2006 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde des Notars R. T. vom 10.7.2003, Urkundenrolle Nr. .../2003, wird für unzulässig erklärt.
Die Beklagte wird verurteilt, die ihr erteilte vollstreckbare Ausfertigung der vorbezeichneten notariellen Urkunde an die Kläger herauszugeben.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten und der Herausgabeverpflichtung vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die gegen sie gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 175.000 EUR abwenden, falls nicht die Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 165.986,51 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten im Wege der Vollstreckungsabwehrklage um die Inanspruchnahme der Kläger aus einem notariellen Schuldanerkenntnis.
Die Beklagte betreibt in ihrer Funktion als Insolvenzverwalterin des Vermögens der ... GmbH (nachfolgend als Insolvenzschuldnerin bezeichnet) die Zwangsvollstreckung gegen die Kläger aus der notariellen Urkunde des Notars T. vom 10.6.2003 (Anlage K1b).
Mit dieser Urkunde "bekennen" die Kläger, der Insolvenzschuldnerin einen Betrag von 135.223,97 EUR nebst Zinsen zu schulden und unterwerfen sich wegen dieser Schuld der sofortigen Zwangsvollstreckung.
Die Klage wendet sich gegen die von der Beklagten im Wege der Forderungspfändung über einen Gesamtbetrag von 165.986,51 EUR betriebene Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde (vgl. hierzu den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des AG Meiningen vom 9.11.2005; Bl. 2 ff. der beigezogenen Vollstreckungsakte 2 M 1411/05).
Die Kläger haben bereits in erster Instanz geltend gemacht, der Beklagten fehle es betreffend die zwangsweise beizutreiben versuchte Forderung an der Aktivlegitimation. Die Insolvenzschuldnerin habe die Forderung unter dem 3.7.2003 abgetreten. Mit dem klägerseits zur Begründung vorgelegten "Forderungsabtretungsvertrag" vom 3.7.2003 (Anlage K4) hat die Insolvenzschuldnerin Forderungen aus "Liefer- und Leistungsrechnungen" in Gesamthöhe von 844.553 EUR für einen Kaufpreis von 781.510,34 EUR an die ... GmbH i.G. verkauft und abgetreten. Gegenstand des Abtretungsertrages - so der Klägervortrag - seien u.a. die mit Urteil des LG Leipzig vom 14.2.2003 titulierte Forderung der Insolvenzschuldnerin gegen die Firma GTL ... GmbH über 126.223,97 EUR nebst Zinsen und Kosten sowie die gegen die Kläger gerichtete Forderung aus dem mit Bezug auf die vorgenannte titulierte Forderung abgegebenen notariellen Schuldanerkenntnis. Aus Gründen der Konkretisierung und Klarstellung habe die Insolvenzschuldnerin die bereits von dem auf den 3.7.2003 datierenden Abtretungsvertrag umfassten beiden Forderungen gegen die GTL ... GmbH zum Einen und die Kläger zum Anderen am 10.7.2003 nochmals an die ... GmbH i.G. abgetreten. Zu diesem Zeitpunkt hat sich die gegen die GTL ... GmbH gerichtete Forderung einschließlich der Zinsen und Kosten - was zwischen den Parteien außer Streit steht - auf den in der Abtretungsurkunde (Anlage K8) genannten Gesamtbetrag von 145.618,39 EUR belaufen. Das einen Monat zuvor unter dem 10.6.2003 i.H.v. 135.223,97 EUR abgegebene notarielle Schuldanerkenntnis habe sich auf die in dem Gesamtbetrag von 145.618,30 EUR enthaltene Hauptforderung aus dem Urteil des LG Leipzig i.H....