Verfahrensgang

LG Gera (Aktenzeichen 3 O 319/18)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Gera vom 19.02.2020, Az. 3 O 319/18, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Gera ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt von der Beklagten aufgrund Widerrufs nach §§ 8, 9 VVG n.F. Rückzahlung von Beiträgen zu einer privaten Krankenversicherung aus der Zeit 01.10.2008 bis 30.09.2012. Das Landgericht hat der Klage zu etwa einem Viertel stattgegeben. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Berufung.

Der Kläger beantragte am 28.09.2008 bei der Beklagten den Abschluss einer privaten Krankenversicherung. Die Beklagte nahm den Antrag mit Versicherungsschein vom 13.10.2008 an.

In der Zeit vom 01.10.2008 bis 30.09.2012 zahlte der Kläger Versicherungsprämien von insgesamt 6.683,49 EUR an die Beklagte. Dieser Betrag ist die Klageforderung. Die Beklagte erbrachte für diesen Zeitraum Beitragsrückerstattungen von insgesamt 435,20 EUR. Um diesen Betrag hat der Kläger die Klageforderung im zweiten Rechtszug reduziert und nur noch 6.248,29 EUR verlangt.

Der Kläger kündigte den Vertrag mit Schreiben vom 30.04.2012 wegen einer zum 01.05.2012 in Kraft tretenden Beitragsanpassung.

Im Rahmen einer Parallelklage, die die Beklagte gegen den Kläger wegen Prämienrückstandes aus der Zeit von Oktober 2012 bis November 2014 erhoben hat (1 C 314/15 Amtsgericht Pößneck, Zweigstelle Bad Lobenstein, und 1 S 324/16 Landgericht Gera), erklärte der Kläger am 20.06.2016 den Widerruf seiner Vertragserklärung. Mit Schriftsatz vom 18.12.2017 mahnte er die Rückerstattung von 6.683,49 EUR an.

Der Kläger hat behauptet, dass er keine Widerrufsbelehrung erhalten habe. Er habe auch den Versicherungsschein, die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und das Produktinformationsblatt nicht erhalten. Soweit er unter Rubrik 9. des Antragsformulars (Anlage K1) den Empfang dieser Dokumente bestätigt habe, sei diese Erklärung mangels gesonderter Unterschrift unwirksam. Soweit die Beklagte ein Exemplar des Antragsformulars vorgelegt habe (Anlage B1), in welchem auch eine Widerrufsbelehrung enthalten sei, sei diese nicht deutlich hervorgehoben und inhaltlich fehlerhaft, da sie den Fristenlauf nicht an einen Textform-Zugang der Unterlagen anknüpfe.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.683,49 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.12.2017 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass durch den vorausgegangenen Rechtsstreit beim Amtsgericht Pößneck, 1 C 314/15, und Landgericht Gera, 1 S 324/16, rechtskräftig entschieden worden sei, dass der Vertrag nicht durch den Widerruf erloschen sei. Das Widerrufsrecht sei außerdem verwirkt. Die Klageforderung könne nicht auf § 9 Abs. 1 Satz 1 VVG gestützt werden, da der Kläger nach Zugang des Widerrufs keine Prämien mehr gezahlt habe, was aber Voraussetzung dieser Anspruchsgrundlage sei. Auch ein Anspruch aus § 9 Abs. 1 Satz 2 VVG scheide aus, da der dort genannte Hinweis auf das Widerrufsrecht, die Rechtsfolgen und den zu zahlenden Betrag erteilt worden sei. Der Widerruf scheitere auch an einer analogen Anwendung von § 205 Abs. 6 VVG, wonach eine Kündigung nur bei Nachweis einer Anschlussversicherung ohne Unterbrechung wirksam sei. Der Kläger habe keine nahtlose Anschlussversicherung nachgewiesen.

Das Landgericht hat durch das angefochtene Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, wie folgt erkannt (berichtigt durch Beschluss vom 25.03.2020, Blatt I/117 f.):

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.522,44 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 19.12.2017 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 77 % und die Beklagte 23 % zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Hinsichtlich der Begründung des angefochtenen Urteils wird auf dessen Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Mit seiner Berufung macht der Kläger geltend, das Landgericht habe der Klage zu Unrecht nur teilweise stattgegeben. Die Annahme des Landgerichts, der Kläger könne nur Prämien für das erste Versicherungsjahr zurückverlangen, sei rechtsfehlerhaft. Vielmehr könne der Kläger nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. in Verbindung mit § 346 Abs. 1 BGB alle gezahlten Prämien zurückverlangen. Der Anspruch sei nicht durch § 9 VVG eingeschränkt, da dessen Voraussetzungen nicht vorlägen. Es fehle schon an einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VVG, die für die Anwendung von § 9 Abs. 1 S. 1 VVG Voraussetzung sei. In einem solchen Fall scheide auch eine Anwendung von § 9 Abs. 1 S. 2 VVG aus.

Darüber hinaus fehle es ...

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