Entscheidungsstichwort (Thema)
Herabsetzung des Unterhaltsanspruches ab Rechtskraft der Ehescheidung auf den eheangemessenen Bedarf
Leitsatz (amtlich)
1. Entspricht die Arbeitsstelle, die der Unterhaltsberechtigte inne hat, in etwa seinem beruflichen Werdegang, seinen beruflichen Fähigkeiten und ist auch die Bezahlung angemessen, so ist die Entscheidung des Unterhaltsberechtigten, diese Arbeitsstelle zu behalten, unterhaltsrechtlich auch dann nicht zu beanstanden, wenn die rein theoretische Möglichkeit besteht, dass er irgendwo eine besser bezahlte Arbeitsstelle hätte finden können.
2. Wer eine zumutbare Nutzung durch Vermietung unterlässt, dem ist danach der durchschnittlich erzielbare Ertrag (Mietzins) als fiktives Einkommen zuzurechnen.
3. Zu den Voraussetzungen einer Herabsetzung des Unterhaltsanspruches auf den eheangemessenen Bedarf ab Rechtskraft der Ehescheidung.
Die Voraussetzungen für eine zeitlich begrenzte Herabsetzung sind inhaltsgleich mit den Voraussetzungen des § 1578b Abs. 2 BGB für eine zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruches. Im Regelfall gibt es keine sofortige Herabsetzung mit Beginn des Unterhalts ab Rechtskraft der Scheidung, weil die Gewährung einer Übergangsfrist selten unbillig sein dürfte. Derartige Gründe sind nicht ansatzweise ersichtlich, wenn die Parteien lange verheiratet waren, drei Kinder aus der Ehe hervorgegangen sind und die Antragsgegnerin kein vorwerfbares Verhalten trifft.
Normenkette
BGB § 1573 Abs. 2, § 1577 Abs. 1, § 1578b
Verfahrensgang
AG Bad Salzungen (Urteil vom 16.03.2009; Aktenzeichen 2 F 191/08) |
Tenor
I. Der Antragsteller wird verurteilt, in Abänderung des Urteils des AG - Familiengericht - Bad Salzungen (Az. 2 F 191/08) hinsichtlich des Ausspruches zum Nachscheidungsunterhalt (Ziff. 2 und 3) einen monatlichen Nachscheidungsunterhalt i.H.v. 550 EUR ab dem Tage der Rechtskraft der Ehescheidung (29.6.2009) bis zum 30.6.2013 zu zahlen.
II. Im Übrigen werden die Berufungen des Antragstellers und der Antragsgegnerin zurückgewiesen sowie der Antrag auf Nachscheidungsunterhalt abgewiesen.
III. Der Antragsteller hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu 23 % und die Antragsgegnerin zu 77 % zu tragen.
Im Übrigen verbleibt es bei der Kostenentscheidung I. Instanz.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 14400 EUR [Berufung des Antragstellers: (12 × 343 EUR =) 4116 EUR und Berufung der Antragsgegnerin: (12 × (1200 -343 =) 857 = 10.284 EUR)] festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragsgegnerin hat den Antragsteller im Scheidungsverbund auf einen monatlichen Nachscheidungsunterhalt i.H.v. 1642 EUR in Anspruch genommen.
Die Parteien haben am 14.10.1983 die Ehe geschlossen. Sie leben seit Juni 2007 voneinander getrennt. Aus der Ehe der Parteien sind drei Kinder hervorgegangen: S., geboren am 24.12.1981 und die Zwillinge A. und N., geboren am 16.7.1985, die volljährig sind.
Während der Ehe war die Klägerin seit dem 1.8.1987 ununterbrochen als Gärtnerin tätig. Sie verdient als Vollzeitkraft rund 693 EUR netto. Die einfache Fahrtstrecke zwischen ihrer Wohnung und Arbeitsstätte beträgt 3 km.
Die berufsbedingten Fahrtkosten des Antragstellers belaufen sich auf 165 EUR/Monat.
Das AG hat der Antragsgegnerin einen monatlichen Nachscheidungsunterhalt i.H.v. 343 EUR als Aufstockungsunterhalt zugesprochen.
Hiergegen richten sich die Berufungen des Antragstellers und der Antragsgegnerin.
II. Die Berufungen der Parteien sind form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Berufung der Antragsgegnerin ist teilweise begründet. Die Berufung des Antragstellers ist nur insoweit begründet, als der Anspruch der Antragsgegnerin auf Nachscheidungsunterhalt ab dem 29.6.2009 bis zum 30.6.2013 zu befristen ist.
Nach § 1573 Abs. 2 BGB kann der Bedürftige den Unterschiedsbetrag zwischen seinen tatsächlichen oder fiktiven Einkünften aus einer tatsächlich ausgeübten oder ihm möglichen angemessenen Erwerbstätigkeit und seinem vollen Unterhalt verlangen.
Der Antragsgegnerin ist ein monatliches Nettoeinkommen i.H.v. (821,72 EUR -33 EUR =) 788,72 EUR zuzurechnen. Nach dem Tarifvertrag für Erwerbsgartenbau in T. (gültig ab 11/2001) beträgt die tarifliche Grundvergütung für Thüringen zwischen 1021 EUR und 1067 EUR/Monat bei einem Stundenlohn zwischen 5,87 EUR und 6,13 EUR. Der Mittelwert ergibt ein monatliches Bruttoeinkommen i.H.v. 1044 EUR; dies entspricht einem Nettolohn in Höhe 821,72 EUR. Nach Abzug der Fahrtkosten für 3 km Entfernung Wohnung - Arbeitsstätte i.H.v. (220 Arbeitstage × 3 km × 2 × 0,30 EUR: 12 =) 33 EUR verbleiben 788,72 EUR.
Da es sich bei dem Vbl - Abzug nicht um Altersvorsorge, sondern um Vermögensbildung handelt, die ab Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages keine Berücksichtigung mehr findet, hat ein Abzug i.H.v. 40 EUR bei der Unterhaltsberechnung zu unterbleiben (Gerhardt, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 6. Aufl., 6. Kapitel, Rz. 94).
Der Ansatz eines fiktiven Einkommens ist gerechtfertigt, da die Antragsgegnerin nur die Gehaltsabr...