Leitsatz (amtlich)
1. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 VVG hat der Versicherungsnehmer dem Versicherer bei der Schließung des Vertrages - hier BU - alle ihm bekannten Umstände, die für die Übernahme der Gefahr, also die Risikoeinschätzung des Versicherers erheblich sind, anzuzeigen. Das gilt auch für schon vor dem Vertragsschluss persistierende, also nicht nur vorübergehende Kniebeschwerden, die die Geh- und Bewegungsfähigkeit des Versicherungsnehmers erheblich einschränken.
2. Eine Anzeigepflicht besteht immer im Hinblick auf solche Umstände, nach denen der Versicherer in seinem Antragsformular ausdrücklich fragt (Vermutungsregel des § 16 Abs. 1 Satz 3 VVG!). Die Vermutung des § 16 Abs. 1 Satz 3 VVG setzt voraus, dass die Formularfragen (des Versicherers) dem Versicherungsnehmer ausreichend zur Kenntnis gelangt sind. Hat ein Versicherungsagent für den Versicherungsnehmer den Versicherungsantrag ausgefüllt, kann in der Falschbeantwortung einzelner Formularfragen eine Verletzung der Anzeigeobliegenheit (des VN) nur dann gesehen werden, wenn der Versicherungsagent die Fragen vorgelesen und dem Versicherungsnehmer das ausgefüllte Formular nicht nur zur Unterzeichnung, sondern auch zur Prüfung und Durchsicht vorgelegt hatte.
3. Die Beweislast für den Umstand, dass der Versicherungsnehmer die schriftlichen Antragsfragen ausreichend zur Kenntnis genommen hat, trifft - immer - den Versicherer.
4. Nach § 16 Abs. 2 Satz 1 VVG kann der Versicherer von dem Vertrag zurücktreten, wenn entgegen der zuvor genannten Pflicht (des VN) die Anzeige eines erheblichen Umstandes unterblieben ist und der Versicherer dies bewiesen hat.
Verfahrensgang
LG Meiningen (Urteil vom 25.01.2006; Aktenzeichen 3 O 171/05) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Meiningen vom 25.1.2006 - 3 O 171/05 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung fallen dem Kläger zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt insgesamt 58.194,14 EUR.
Gründe
I. Der Kläger begehrt Leistungen aus einer bei der Beklagten zu 1) mit Wirkung zum 1.6.2003 abgeschlossenen Berufsunfähigkeitsversicherung. Der Vertrag wurde durch den Beklagten zu 2) vermittelt. Am 27.5.2003 unterschrieb der Kläger das ihm in den Büroräumen des Beklagten zu 2) vorgelegte Antragsformular (s. Anlagenheftung II z. A.). In dem Antrag sind die Gesundheitsfragen sämtlichst mit "nein" angekreuzt. Unstreitig hat der Kläger das Formular nicht selbst ausgefüllt. Die Parteien streiten darüber, ob die hier maßgeblichen Gesundheitsfragen von dem Beklagten zu 2) - so der Kläger - oder der Beklagten zu 3) - so nunmehr übereinstimmend die Beklagten - erfragt und ausgefüllt wurden, ferner, ob dem Kläger der Inhalt der Fragen explizit und deutlich vorgelesen und erläutert worden ist.
Der Kläger stellte wegen seit November 2003 persistierender Kniebeschwerden im Juni 2004 einen Leistungsantrag bei der Beklagten zu 1). Diese holte eine schriftliche Auskunft des Zeugen Dr. D. zu Vorerkrankungen des Klägers ein; dessen Auskunft ging bei der Beklagten zu 1) am 28.7.2004 ein. Auf Grund der mitgeteilten Vorerkrankungen trat die Beklagte mit Schreiben vom 10.8.2004 vom Versicherungsvertrag zurück.
Das LG hat die Klage nach persönlicher Anhörung des Klägers und der Beklagten zu 2) und 3) sowie Vernehmung der Ärzte Dr. K. und Dr. D. als Zeugen im Termin vom 30.11.2005 abgewiesen. Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger unter Neubezifferung des Leistungsantrags seine erstinstanzlichen Anträge weiter. Er rügt im Wesentlichen eine Verkennung der Beweislast und die in diesem Zusammenhang vom LG vorgenommene Beweiswürdigung. Die Beklagte zu 1) habe die Obliegenheitsverletzung des Klägers darzulegen und zu beweisen. Der Kläger wiederholt, dass er nicht nach Gesundheitsbeschwerden in den letzten 5 Jahren gefragt worden sei und keine detaillierten Angaben zu seiner gesundheitlichen Verfassung habe machen müssen; er sei nur zu seinem Gesundheitszustand bei Antragstellung gefragt worden.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des Urteils des LG Meiningen vom 25.1.2006 die Beklagten zu 1) bis 3) samtverbindlich zu verurteilen, an ihn 22.804,04 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 7.329,87 EUR seit 10.8.2004 sowie aus 814,43 EUR jeweils ab 1.09., 1.10., 1.11 und 1.12.2004, 1.1., 1.2., 1.3., 1.4., 1.5., 1.6., 1.7., 1.8., 1.9., 1.10., 1.11. und 1.12.2005, 1.1., 1.2. und 1.3.2006 zu zahlen; die Beklagten zu 1) bis 3) samtverbindlich zu verurteilen, an den Kläger monatlich im Voraus, beginnend am 1.4.2006 und längstens bis 31.5.2030, eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente i.H.v. 814,43 EUR zu zahlen; die Beklagten zu 1) bis 3) samtverbindlich zu verurteilen, an den Kläg...