Leitsatz (amtlich)

1. Die im Freistaat Thüringen für die Ausübung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts an einem landwirtschaftlichen Grundstück geltende Mindestgröße von 0,25 ha ist derzeit verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

2. Zu den nach § 9 Abs. 6 GrdstVG bei der Erteilung der Grundstücksverkehrsgenehmigung zu berücksichtigenden allgemeinen volkswirtschaftlichen Belangen gehört die Sicherung der Energieversorgung. Das gilt insbesondere, wenn es um die Errichtung von Anlagen zur Produktion erneuerbarer Energien geht.

3. Derartige Belange vermögen den Versagungsgrund der ungesunden Bodenverteilung nur auszuräumen, wenn das Grundstück tatsächlich hierfür benötigt wird. Befindet sich das vorgesehene Projekt zum Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechts noch im Planungsstadium, ist eine Prognoseentscheidung erforderlich, ob die erforderlichen öffentlich-rechtlichen Genehmigungen mit hoher Wahrscheinlichkeit erteilt werden.

4. Ob die Genehmigungsbehörde den Grundstückserwerber auf eine Grunddienstbarkeit verweisen kann, wenn das Grundstück nicht für die Errichtung der Anlage selbst, sondern als Abstandsfläche, zur Lagerung und als Zugang bei den Errichtungs- und Wartungsarbeiten benötigt wird, bleibt offen. Die Bestellung einer solchen Grunddienstbarkeit müsste dem Grundstückserwerber spätestens zum Zeitpunkt der Mitteilung der Ausübung des Vorkaufsrechts (§ 21 GrdstVG) rechtsverbindlich angeboten werden. Das Angebot auf Eintragung einer Baulast rechtfertigt die Versagung der Grundstücksverkehrsgenehmigung nicht (entgegen OLG Naumburg NL-BzAR 2008, 497 ff.).

 

Normenkette

RSG § 4 Abs. 1, 4; Thüringer VO; GrdstVG §§ 1, 9 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6

 

Verfahrensgang

AG Erfurt (Beschluss vom 18.11.2009; Aktenzeichen Lw 1//U)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - Landwirtschaftsgericht - Erfurt vom 18.11.2009 abgeändert.

Der vor dem Notar Dr. R. R. mit Amtssitz in S. geschlossene Kaufvertrag vom 2.3.2007 (UR-Nr. R 255/07) wird grundstücksverkehrsrechtlich genehmigt.

2. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 22.500 EUR festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beteiligten zu 1) und 6) schlössen am 2.3.2007 einen notariellen Kaufvertrag über ein landwirtschaftliches Grundstück (Grundbuch von V., Blatt 895, Flur 9, Flurstücks-Nr. 1311) von 11.770 m2 zu einem Kaufpreis von 22.500 EUR, fällig in 3 Raten. Die 2. und 3. Rate soll nur fällig werden, wenn für die auf dem Vertragsgrundstück oder einem benachbarten Grundstück zu errichtende Windenergieanlage eine bestandskräftige Baugenehmigung vorliegt bzw. auf einem dieser Grundstücke mit dem Bau einer Windenergieanlage begonnen worden ist. Sollte die Baugenehmigung nicht bis 31.12.2010 bestandskräftig erteilt worden sein, reduziert sich der Kaufpreis auf die erste Rate von 12.500 EUR.

Die Antragstellerin projektiert und errichtet Windenergieanlagen und möchte auch das hier betroffene Grundstück als Abstandsfläche, zur Lagerung der Bauteile während der Errichtung und bei Wartung nutzen. In dem durch Schriftsatz des Urkundsnotars vom 8.3.2007 eingeleiteten Genehmigungsverfahren, hinsichtlich dessen Ablaufs in den Einzelheiten der Senat Bezug auf den angefochtenen Beschluss des Landwirtschaftsgerichts nimmt, äußerte die C. Pflanzen- und Tierproduktion AG Kaufinteresse an dem Grundstück. Die Kaufinteressentin bewirtschaftete zum damaligen Zeitpunkt eine landwirtschaftliche Fläche von insgesamt 1.136,6 ha; davon standen 182,3 ha in ihrem Eigentum, während die restliche Fläche von 954,3 ha zugepachtet war. Mit Schreiben vom 8.5.2007 übte die Beteiligte zu 4. das siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht aus. Diese Erklärung teilte die Genehmigungsbehörde mit Bescheid vom 23.5.2007 den Vertragsbeteiligten durch Zustellung am 25.5.2007 mit. Die Genehmigungsbehörde geht davon aus, dass die beabsichtigte Veräußerung des Grundstücks an einen Nichtlandwirt bei Erwerbsinteresse eines aufstockungsbedürftigen Haupterwerbslandwirts zur ungesunden Bodenverteilung führt. Entgegen der missverständlichen Darstellung des AG enthält der Bescheid vom 25.7.2008 nicht die Versagung der Genehmigung, sondern die nach den §§ 6 RSG, 21 GrdstVG vorgesehene Mitteilung über die Ausübung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts, die nach § 6 Abs. 1 S. 3 RSG dazu führt, dass die Veräußerung im Verhältnis zwischen den Beteiligten zu 4) und zu 6) als genehmigt gilt.

Die Antragstellerin hat inzwischen aufgrund eines Genehmigungsbescheides nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz vom 3.12.2007 u.a. auf dem Nachbargrundstück des hier betroffenen Grundstücks mit der Flustücks-Nr. 1313 eine Windkraftanlage errichtet. Die Rotorblätter der Anlage überstreifen das Kaufgrundstück. Die Beteiligte zu 6) hat bereits am 12.6.2007 im Hinblick auf die Abstandsfläche die von der Genehmigungsbehörde geforderte Baulasterklärung abgegeben, Im Laufe des erstinstanzlichen ...

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