Entscheidungsstichwort (Thema)
Angaben des Rechtsanwalts auf Briefbogen bei Zweigstelle
Leitsatz (amtlich)
1. § 10 BORA ist auch nach der Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG (UGP-Richtlinie) Marktverhaltensregel i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG.
2. § 10 BORA gebietet nicht, eine voll ausgestattete Zweigstelle eines Rechtsanwaltes auf Briefbögen als "Zweigstelle" zu kennzeichnen. Eine solche Pflicht ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 1 Nr. 2 DL-InfoVO.
3. Es ist auch nicht irreführend i.S.v. § 5a Abs. 2 UWG, wenn eine voll ausgestattete Zweigstelle eines Rechtsanwaltes nicht als solche gekennzeichnet wird, solange zumindest auf der Rückseite des anwaltlichen Briefbogens angegeben wird, dass dieser noch an anderen Standorten tätig ist.
4. § 10 BORA gebietet jedoch, dass der Rechtsanwalt auf seinen Briefbogen seine Kanzleianschrift i.S.v. § 31 BRAO angibt, das heißt derjenigen Kanzlei, die der Rechtsanwalt bei seiner Zulassung mitgeteilt hat.
Normenkette
BORA § 10 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 23.06.2010; Aktenzeichen 7 O 2036/10) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des LG Erfurt vom 23.6.2010 - 7 O 2036/10, abgeändert und auf den im Wege der Anschlussberufung der Klägerin gestellten Hilfsantrag wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000,00, Ordnungshaft höchstens zwei Jahre) zu unterlassen, Briefbögen für seine anwaltliche Tätigkeit in seiner E. er Niederlassung entsprechend dem als Anlage 1 beigefügten Schreiben des Beklagten vom 21.10.2008 an die RAK TH. zu verwenden, ohne anzugeben, an welchem Standort er seine Kanzlei i.S.d. §§ 27 Abs. 1, 31 Abs. 3 BRAO unterhält.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung sowie die Anschlussberufung im Übrigen werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits insgesamt werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin ist die Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk Ko. Der Beklagte ist ein bei der dortigen Kammer zugelassener Rechtsanwalt mit einer Kanzlei in Ma., der Zweigstellen in E. und K. unterhält. Er verwendet u.a. einen Briefbogen wie anhand des Schreibens des Beklagten an die Rechtsanwaltskammer TH. vom 21.10.2008 (Anlage 1; nur Vorderseite) sowie aus Blatt 101 d.A. (Vorder- und Rückseite) ersichtlich.
Auf der Vorderseite des Briefbogens des Beklagten, wie er ihn für seine Zweigstelle in E. verwendet, ist (nur) die E. er Kanzlei angegeben, und zwar (in dieser Reihenfolge) mit den Rechtsanwälten G., Prof. Dr. H. und Gi. Auf der Rückseite des Briefbogens ist die Kanzlei in E. farblich deutlich gestaltet genannt. Farblich schwächer gestaltet sind auch die Kanzleien in Ma. und K. genannt. Für die Kanzlei in Ma. wird Prof. Dr. H. in der Aufzählung der Rechtsanwälte an erster Stelle genannt, bei der der Kanzlei in K. wiederum an zweiter Stelle, zusammen mit in Ma. drei Rechtsanwälten, in K. einem weiteren Rechtsanwalt.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, mit dieser Gestaltung des Briefbogens verstoße der Beklagte gegen § 10 BORA. Damit ergebe sich ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG. Außerdem sei die Gestaltung des Briefbogens irreführend. Es seien eine eindeutige Bezeichnung des Kanzleisitzes des Rechtsanwaltes und eine gesonderte Kennzeichnung einer Zweigstelle erforderlich. Beim relevanten Durchschnittsverbraucher werde der Eindruck erweckt, der Beklagte sei mit Kanzleisitz in E. als Rechtsanwalt tätig. Es fehle jeglicher Hinweis, dass der Beklagte in E. lediglich eine Zweigstelle unterhält bzw. wo er seinen eigentlichen Kanzleisitz unterhalte. Ergänzende oder klarstellende Angaben auf der Rückseite könnten nicht genügen.
Nach erfolgloser Abmahnung hat die Klägerin Klage erhoben mit dem Antrag, den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung der üblichen Ordnungsmittel zu unterlassen, Briefbogen für seine anwaltliche Tätigkeit zu verwenden, wenn auf diesen kein Hinweis enthalten ist, an welchen von mehreren Standorten er seine "Kanzlei" i.S.v. § 27 Abs. 1 BRAO unterhält und an welchen Standorten eine "Zweigstelle", dies insbesondere indem der Briefbogen so gestaltet wird, wie dies dem als Anlage 1 beigefügten Schr...