rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Punktsystem. Entziehung der Fahrerlaubnis. Tattagprinzip. Rechtskraft. Teilnahmebescheinigung. Recht der Fahrerlaubnisse einschließlich Fahrerlaubnisprüfungen. Beschwerde nach §§ 80, 80a VwGO
Leitsatz (amtlich)
Für eine Maßnahme nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG kommt es für die Bestimmung, wann sich 18 oder mehr Punkte „ergeben” bzw. wann diese Punktzahl „erreicht” ist, auf den Tag der Begehung der Strafttat oder Ordnungswidrigkeit an.
Orientierungssatz
Anknüpfungszeitpunkt bei der Anwendung des Punktsystems „Tattagprinzip”)
Normenkette
VwGO § 80 Abs. 5; StVG § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 3, S. 2, Abs. 4 Sätze 2, 4, Abs. 5, 7
Verfahrensgang
VG Meiningen (Beschluss vom 06.09.2002; Aktenzeichen 2 E 502/02) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Meiningen vom 6. September 2002 – 2 E 502/02.Me – wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Streitwert wird unter Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung für beide Rechtszüge auf jeweils 4.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller, der bis Juli 2002 als Berufskraftfahrer beschäftigt war, ist Inhaber der Fahrerlaubnisse der Klassen 1 bis 5, die den Klassen A, C, CE, C1E, C1, BE, B, L, M und T nach neuer Bezeichnung entsprechen.
Nach mehreren straßenverkehrsrechtlichen Verstößen in den Jahren 1997 und 1998, die mit insgesamt 11 Punkten nach dem Punktekatalog bewertet wurden, verwarnte der Antragsgegner den Antragsteller erstmals im Mai 1999. Nach der freiwilligen Teilnahme an einem Aufbauseminar wurden ihm 2 Punkte gestrichen.
Kurz nach dem Aufbauseminar beging der Antragsteller im Mai 1999 und im Juni 2000 erneut eine Verkehrsordnungswidrigkeit bzw. eine Straftat, die zusammen mit 6 Punkten bewertet wurden. Im April 2001 verwarnte der Antragsgegner den Antragsteller bei einem Stand von 15 Punkten ein weiteres Mal.
Am 20. August 2001 beging der Antragsteller einen mit 3 Punkten zu bewertenden Verkehrsverstoß. Die hierzu ergangene Bußgeldentscheidung wurde am 5. Februar 2002 rechtskräftig.
Unter dem 7. Dezember 2001 wurde dem Antragsteller bescheinigt, an einer verkehrspsychologischen Beratung teilgenommen zu haben.
Mit Bescheid vom 11. Juli 2002 entzog der Antragsgegner dem Antragsteller nach dessen Anhörung die Fahrerlaubnis für alle Klassen. Zur Begründung führte der Antragsgegner im Wesentlichen aus, der Antragsteller habe mehrere, rechtskräftig festgestellte Verkehrsverstöße begangen, die insgesamt mit 18 Punkten zu bewerten seien. Nach den gesetzlichen Bestimmungen sei deshalb der Führerschein zwingend zu entziehen. Die Teilnahme an der verkehrspsychologischen Beratung führe deshalb nicht zu einem Punkteabbau, weil er im Zeitpunkt der Ausstellung der Bescheinigung schon 18 Punkte erreicht habe. Die Fahrerlaubnis könne im Übrigen auch deshalb entzogen werden, weil der Antragsteller wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen habe und deshalb seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen sei.
Dagegen erhob der Antragsteller am 16. Juli 2002 Widerspruch, über den noch nicht entschieden ist.
Am selben Tag hat er beim Verwaltungsgericht Meiningen um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, die Entziehung der Fahrerlaubnis sei offensichtlich rechtswidrig. Er habe noch keine 18 Punkte nach dem Punktekatalog erreicht. Ihm sei unter dem 7. Dezember 2001 bescheinigt worden, an einer verkehrspsychologischen Beratung teilgenommen zu haben. Zu diesem Zeitpunkt habe sein Punktekonto erst 15 Punkte aufgewiesen. Deshalb müssten an diesem Tag zwei Punkte abgezogen werden. Die Entscheidung über die mit drei Punkten zu bewertende Ordnungswidrigkeit vom August 2001 sei erst im Februar 2002 rechtskräftig geworden. Sein Punktekonto weise deshalb nur 16 Punkte auf.
Der Antragsteller hat beantragt,
die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 11. Juli 2002 anzuordnen.
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, mit Erlass des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Infrastruktur sei für die Fahrerlaubnisbehörden das „Tattagprinzip” festgelegt worden. Das bedeute, dass bei der Prüfung und Einleitung von Maßnahmen nach dem Punktsystem auf den Tattag und nicht auf die Rechtskraft der den Verkehrsverstoß ahndenden Entscheidung abgestellt werde. Erforderliche Grundlage für eine behördliche Maßnahme sei allerdings immer, dass eine rechtskräftige Entscheidung über die Straftat oder die Ordnungswidrigkeit vorliege. Nur dieses Verständnis werde dem Sinn und Zweck des Punktsystems und seinen erzieherischen Maßnahmen gerecht. Im vorliegenden Fall habe der Antragsteller im August 2001 einen Verkehrsverstoß begangen, der mit drei Punkten zu bewerten gewesen sei. Er habe deshalb bereits vor der verkehrspsychologischen Beratung 18 Punkte erreicht.
Mit ...