rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kommunalaufsichtliche Genehmigungsbedürftigkeit von Mietverträgen. Kommunalaufsicht. Genehmigungsbedürftigkeit. Kreditgeschäfte. kreditähnliche Rechtsgeschäfte. Bürgschaft. Gewährvertrag. Mietvertrag. unkündbar. Staffelmiete. ähnliche Rechtsgeschäfte. gewährvertragsähnlich. Verpflichtung. Risiko. Risikobewertung. Risikoabschätzung. Vertrauensschutz. zivilrechtliche Unwirksamkeit. wirtschaftlich. eigener Wirkungskreis. örtliche Gemeinschaft. übertragener Wirkungskreis. Haushaltswirtschaft. Haushaltssicherheit. Leistungsfähigkeit. Wirtschaftsförderung. Tourismus. Fremdenverkehr. Fremdenverkehrsförderung. Wohnungsbauförderung. Ermessen. Ermessensspielraum. Feststellungsklage. Verpflichtungsklage. Kommunalrecht (ohne kommunales Abgabenrecht). Berufung
Leitsatz (amtlich)
1. „Ähnliche Rechtsgeschäfte” im Sinne von § 64 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 ThürKO sind nach dem gesetzlichen Schutzzweck nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich bürgschafts- bzw. gewährvertragsähnliche Rechtsgeschäfte.
2. Auch ein Mietvertrag kann unter bestimmten Voraussetzungen als „ähnliches Rechtsgeschäft” der kommunalaufsichtlichen Genehmigungspflicht nach § 64 Abs. 2 ThürKO unterliegen, wenn einem solchen Vertrag im Rahmen einer wirtschaftlichen Gesamtbewertung der finanziellen Risiken bürgschafts- bzw. gewährvertragsähnliche Wirkungen von hinreichendem Gewicht zukommen; dies ist jedenfalls bei einem Mietvertrag der Fall, der über 30 Jahre unkündbar ist und für den über die 30-jährige Laufzeit eine Staffelmiete mit jährlichen Steigerungen von 2,5 %, insgesamt rund 52 %, sowie über das übliche Maß hinausgehende Instandhaltungs- und Instandsetzungsverpflichtungen festgeschrieben sind.
3. Zu den Genehmigungsvoraussetzungen nach § 64 Abs. 2, Abs. 4 ThürKO i.V.m. §§ 63 Abs. 2 Satz 3 und Satz 4, 53 Abs. 1 ThürKO.
Normenkette
ThürKO § 2 Abs. 1-2, §§ 3, 29 Abs. 2 Nr. 1, §§ 53, 62 Abs. 1, 3, § 63 Abs. 2, § 64 Abs. 1, 2 Sätze 1-2, Abs. 4, §§ 87, 123 Abs. 1-2; DDR-KV § 45 Abs. 2-3; VKO § 45; BGB §§ 134, 535, 544, 567, 765; VwGO § 42 Abs. 2, § 43 Abs. 1-2, § 114
Verfahrensgang
VG Meiningen (Urteil vom 11.03.2003; Aktenzeichen 2 K 438/01) |
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Meiningen vom 11. März 2003 – 2 K 438/01.Me – wird abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin und der Beigeladene tragen die Kosten des gesamten Verfahrens je zur Hälfte mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Vertreters des öffentlichen Interesses, die dieser selbst trägt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin und dem Beigeladenen wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor der Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die kommunalaufsichtliche Genehmigungsbedürftigkeit eines langfristigen Mietvertrags zwischen Klägerin und dem Beigeladenen.
Anfang 1991 gründete die Klägerin die Firma „R.-GmbH …” – im Folgenden: Firma R. GmbH – als „gemeindliche Entwicklungsgesellschaft” zur Verbesserung der kommunalen Infrastruktur. Die Firma R. GmbH kaufte sodann von der Klägerin mit notariellen Kaufverträgen vom 24. November 1993 – UR-Nr. 1487/93 – und vom 24. Oktober 1994 – UR-Nr. 552/1994 – mehrere Flurstücke und Teilflächen weiterer Flurstücke in Masserberg mit einer Fläche von insgesamt 2.462 qm. Noch vor dem grundbuchlichen Vollzug der Kaufverträge verkaufte die Firma R. GmbH mit notariellem Kaufvertrag vom 2. November 1994 – UR-Nr. 566/1994 – die genannten Grundflächen an die Firma I. GmbH I. Iserlohn, – im Folgenden: Firma I. GmbH –. Nach diesem Kaufvertrag sollte die Firma I. GmbH die Grundflächen auf eigene Rechnung mit einem Wohn- und Geschäftshaus (sog. „BV Spange Masserberg”) für 9 Wohneinheiten und 10 gewerblichen Einheiten bebauen. Nach § 1 des Kaufvertrages war der Abschluss von insgesamt 19 Mietverträgen für die genannten Einheiten gemäß der beigefügten Musterentwürfe (Anlagen 3 und 4) „Geschäftsgrundlage für den hier vorliegenden Kauf- und Bauwerksvertrag”. In den dazugehörigen „Besonderen Vereinbarungen” zum Mustermietvertrag wurden die baulichen Ausbau- bzw Instandsetzungspflichten der Klägerin als Mieterin geregelt. Für den Fall des nicht wirksamen Zustandekommens der Mietverträge wurde der Firma I. GmbH ein „folgenloses” Rücktrittsrecht eingeräumt.
Am 7. November 1994 schlossen die Klägerin und die Firma I. GmbH die Mietverträge über die 19 Wohn- und Geschäftseinheiten in dem zu diesem Zeitpunkt noch zu erbauenden Wohn- und Geschäftshaus „BV Spange”, darunter auch den streitgegenständlichen Mietvertrag. Dieser betraf die gewerbliche Einheit im 1. Obergeschoss nach Nr. 10 des Aufteilungsplans (Büro 4) mit einer Grundfläche von rund 90 qm. Im Einzelnen wurde in dem Mietvertrag in § 3 eine Mietdauer von 30 Jahren bis zum 31. Dezember 2025 festgelegt und während der Laufzeit die ordentliche Kündigung ausgeschl...