rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragsrecht. Zweckverband. Entstehung. Existenz. Verbandssatzung. Genehmigung. Bekanntmachung. Datum. Ausfertigung. Veröffentlichung. Rechtsstaatsprinzip. Rechtssicherheit. Anlage. Anschlussbeitrag. Nacherhebung. Einmaligkeit. Vorteil. Tiefenbegrenzung. Innenbereich. Außenbereich. Vermutung. Auslegung. Tiefe. ortsüblich. Verbandsgebiet. Teilnichtigkeit. Teilbarkeit. Gesamtnichtigkeit. Beitragsmaßstab. Beitragssatz. mutmaßlicher Wille des Normgebers. Beiträgen nach dem Kommunalabgabengesetz. Normenkontrollverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Die Bekanntmachung der Verbandssatzung eines Zweckverbands und ihrer Genehmigung hat nach dem Thüringer Landesrecht (§ 19 Abs. 1 Satz 3 ThürGKG) konstitutive Wirkung. Sie bringt den Zweckverband als Körperschaft des öffentlichen Rechts in der Form der bekannt gemachten Verbandssatzung zur Entstehung. Fehler im Gründungsvorgang oder Mängel der Verbandssatzung stellen die rechtliche Existenz des Zweckverbands grundsätzlich nicht in Frage. Sie können von den in eigenen Rechten verletzten Verbandsmitgliedern nach § 19 Abs. 1 Satz 4 ThürGKG nur mit Wirkung für die Zukunft geltend gemacht werden (Bestätigung und Fortführung der Senatsrechtsprechung).
2. Die Wiedergabe des Datums der Genehmigungsunterzeichnung gehört nicht zu den rechtsstaatlichen Mindestanforderungen, die an eine konstitutive Bekanntmachung der Zweckverbandssatzung zu stellen sind.
3. Die Ausfertigung der Gründungssatzung eines kommunalen Zweckverbandes bzw. die Veröffentlichung der Ausfertigung gehören nach der Thüringer Rechtslage nicht zu den Voraussetzungen für die Entstehung eines Zweckverbandes.
4. Nach der Thüringer Rechtslage ist eine zusätzliche Beitragserhebung für Fälle, in denen sich nach dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht die bauliche Ausnutzbarkeit des Grundstücks erhöht, wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung unzulässig.
5. Eine satzungsmäßige Beschränkung der zur Beitragsbemessung heranzuziehenden Grundstücksfläche durch eine Tiefenbegrenzung, die unterschiedslos alle, auch vollständig im unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) gelegenen Grundstücke erfasst und damit regelmäßig auch Grundstücke begünstigt, die in vollem Umfang Baulandqualität haben und baulich, gewerblich oder in vergleichbarer Weise genutzt werden können, ist im Anschlussbeitragsrecht mit dem für die Beitragsbemessung nach § 7 ThürKAG grundlegenden Vorteilsprinzip nicht vereinbar. Eine entsprechende Tiefenbegrenzungsregelung ist nichtig.
6. Zum Begriff der ortsüblichen Tiefe der baulichen Nutzung in § 7 Abs. 2 Satz 4 ThürKAG.
7. Zur Gesamtnichtigkeit einer Beitrags- und Gebührensatzung in Folge der Nichtigkeit einer Tiefenbegrenzungsregelung.
Normenkette
ThürGKG § 19 Abs. 1 Sätze 1-4; ThürKAG § 7 Abs. 1, 2 S. 4, Abs. 5
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt, soweit es gegen den Beitragssatz in § 5 der Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserbenutzungssatzung – BGS-WBS – des Antragsgegners vom 20.10.1993 in der Fassung der Änderungssatzung vom 23.02.1996 gerichtet war.
Die beitragsrechtlichen Regelungen (§ 1 Nr. 1 sowie §§ 2 bis 7) der BGS-WBS des Antragsgegners vom 20.10.1993 in der Fassung der 12. Änderungssatzung zur BGS-WBS werden für nichtig erklärt.
Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Antragsgegner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der jeweils festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Antragstellerinnen jeweils zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Antragstellerinnen sind Eigentümer verschiedener Grundstücke in Gera, die überwiegend mit sog. Wohnblocks bebaut sind. Sie wenden sich im vorliegenden Normenkontrollverfahren mit ihren Normenkontrollanträgen gegen die beitragsrechtlichen Regelungen der Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserbenutzungssatzung – BGS-WBS – des Antragsgegners vom 20.10.1993 (ThürStAnz. 1994, S. 347 ff.) in der Fassung der 12. Satzung zur Änderung der BGS-WBS (ausgefertigt am 26.10.2000 und veröffentlicht im Amtsblatt des Antragsgegners vom 04.11.2000).
Der Antragsgegner besteht aus verschiedenen Ostthüringer Städten und Gemeinden, die zuvor Mitglieder in der OWA (Ostthüringer Wasserversorgung und Abwasserbehandlung) GmbH waren. Diese Kapitalgesellschaft war 1990 durch Umwandlung des ehemaligen volkseigenen Betriebes Wasserversorgung und Abwasserbehandlung (VEB WAB) entstanden und betrieb im Gebiet des ehemaligen Bezirks Gera die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung. Nach Maßgabe des Kommunalvermögensgesetzes vom 06.07.1990 (GBl. I S. 660) sollten 1991/1992 die Kapitalanteile der OWA GmbH auf die nunmehr zuständigen kommunalen Einrichtungsträger übertragen werden. Zu diesem Zweck sollte eine Entflechtung vorgenommen werden.
Spätestens Anfang 1992 wurde die Gründung des Antragsgegners als Zweckverband angestrebt. Die Teilnehmer einer Bürgerme...