Rz. 29
Fraglich ist, ob seit In-Kraft-Treten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 1.1.2002 ein Ausschluss des Vergütungsfortzahlungsanspruchs aus § 616 BGB durch eine einzelvertragliche Regelung weiterhin möglich ist.
Die Kontrolle der Zulässigkeit von Vereinbarungen in Formulararbeitsverträgen ist seither verstärkt in den Blick geraten. Die Inhaltskontrolle wird nach § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB für Allgemeine Geschäftsbedingungen durchgeführt. Das sind nach der gesetzlichen Definition alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die der Verwender (= der Arbeitgeber) der anderen Vertragspartei (= Arbeitnehmer) stellt. Dazu zählen im Arbeitsrecht typischerweise Formulararbeitsverträge.
Rz. 30
Da nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der Arbeitnehmer ein Verbraucher im Sinne des § 13 BGB ist (BAG, Urteil v. 25.5.2005, 5 AZR 572/04), gilt nach § 310 Abs. 3 BGB, dass die Arbeitsvertragsbedingungen als vom Arbeitgeber gestellt gelten und bereits die einmalige Verwendung genügt, um sie einer inhaltlichen Kontrolle zu unterziehen, während AGB erst bei drei- bis fünfmaliger Verwendung angenommen werden. Auf die äußere Erscheinungsform kommt es dabei nicht an (§ 305 Abs. 1 Satz 2 BGB).
Rz. 31
Die Kontrolle findet nicht statt, wenn die Vertragsklauseln zwischen den Parteien im Einzelnen ausgehandelt sind. Das setzt allerdings voraus, dass der Arbeitgeber die Klauseln ernsthaft zur Disposition des Arbeitnehmers gestellt und ihm die Möglichkeit gegeben hat, diese zu beeinflussen. Das setzt zumindest voraus, dass die Klausel letztlich erst nach Diskussion mit dem Arbeitnehmer und mit seinem ausdrücklichen Einverständnis in den Vertrag aufgenommen wurde. Der Arbeitgeber muss das konkret darlegen; die Beweislast für die fehlende Einflussmöglichkeit hat aber letztlich der Arbeitnehmer (BAG, Urteil v. 25.5.2005, 5 AZR 572/04).
Rz. 32
Teilweise wird vertreten, dass die vollständige Abbedingung des § 616 BGB in Formulararbeitsverträgen nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam sei, sofern es hierfür nicht einen sachlichen Rechtfertigungsgrund (z. B. die besonderen Verhältnisse im Betrieb) gebe.
Rz. 33
Gegen die Zulässigkeit der Abbedingung von § 616 BGB durch Einzelvertrag bestehen jedoch auch nach In-Kraft-Treten des Schuldrechts-Modernisierungsgesetzes innerhalb der allgemeinen Grenzen der Vertragsfreiheit keine Bedenken (BAG, Urteil v. 7.2.2007, 5 AZR 270/06). Die betreffenden Hindernisse stammen aus der Sphäre des Arbeitnehmers; es findet insoweit keine Abwälzung des Betriebsrisikos vom Arbeitgeber auf den Arbeitnehmer statt. Auch die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers verlangt keine Einschränkungen; denn sie ist ihrerseits in Teilbereichen abdingbar, soweit sie nicht als Ganzes infrage gestellt wird.