Rz. 190
Rechtsfolge der Befreiung von der Arbeitsleistungspflicht nach § 275 Abs. 1-3 BGB ist grundsätzlich der Wegfall des Vergütungsanspruchs gem. § 326 Abs. 1 Satz 1 kraft Gesetzes. Der Gesetzgeber hat auch für das Arbeitsrecht als Grundentscheidung die Regel "ohne Arbeit kein Lohn" im BGB manifestiert. Die Rückerstattung bereits gezahlter Vergütung richtet sich nach Rücktrittsrecht, §§ 346–348 BGB. Der Vergütungsanspruch entfällt grundsätzlich auch, wenn der Arbeitnehmer wegen eines Freistellungsanspruchs aus § 45 Abs. 3 SGB V der Arbeit fernbleibt. Steht dem Arbeitnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht gem. § 275 Abs. 2 und Abs. 3 BGB zu, entfällt der Vergütungsanspruch jedoch erst, wenn sich der Arbeitnehmer hierauf beruft. Der Wegfall der Vergütungspflicht ist nicht auf die von keinem Teil zu vertretende Unmöglichkeit beschränkt. Bei teilweiser Unmöglichkeit bzw. Unzumutbarkeit entfällt auch der Gegenleistungsanspruch nur teilweise. Der Wert der Befreiung wird entsprechend der Minderung gem. § 441 Abs. 3 BGB bestimmt.
Rz. 191
Der Gegenleistungsanspruch entfällt nicht, wenn der Schuldner wegen Schlechtleistung von der Pflicht zur Nacherfüllung nach § 275 Abs. 1–3 BGB frei geworden ist. Die Leistungspflicht entfällt auch dann nicht, wenn der Gläubiger den leistungsausschließenden Umstand allein oder weit überwiegend zu vertreten hat, oder dieser zu einem Zeitpunkt eintritt, zu welchem sich der Gläubiger in Annahmeverzug befindet. Die Verantwortlichkeit des Arbeitgebers für den leistungsbefreienden Umstand ergibt sich nicht unmittelbar aus §§ 276 ff. BGB, sondern in deren entsprechender Anwendung, da die §§ 276 ff. BGB die Verantwortlichkeit des Schuldners betreffen. Der Arbeitgeber hat den leistungsausschließenden Umstand zu vertreten, wenn er etwa die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers zu verantworten hat. Ein Mitverschulden des Arbeitnehmers schadet nicht, sofern der Arbeitgeber das Leistungshindernis weit überwiegend zu verantworten hat. § 254 BGB findet insoweit Anwendung. Das Arbeitsrecht enthält darüber hinaus weitere gesetzliche Ausnahmen im BGB von der Befreiung von der Vergütungspflicht. So stellt § 615 BGB eine vorrangige Spezialregelung zu § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB dar. Dagegen ist § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB neben § 615 BGB anwendbar.
Rz. 192
Zum Schutz der Existenzgrundlage des Arbeitnehmers bestehen zahlreiche weitere spezialgesetzliche Durchbrechungen der synallagmatischen Folge des Wegfalls der Vergütungspflicht, wie z. B. in § 616 BGB, § 3 Abs. 1 EFZG, § 11 BUrlG. Diese Regeln gehen der allgemeinen Vorschrift des § 326 Abs. 1 BGB vor. Sie haben allesamt zur Voraussetzung, dass das entsprechende Leistungshindernis kausal für den Arbeitsausfall sein muss.
Rz. 193
Macht der Arbeitnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht wegen Unzumutbarkeit gem. § 275 Abs. 3 BGB geltend, so kommt grundsätzlich eine Entgeltfortzahlung nach § 616 BGB infrage, da als Verhinderungstatbestand schon bisher außer der Unmöglichkeit auch die Unzumutbarkeit der Arbeitsleistung anerkannt ist. Eine eingetretene Arbeitsunfähigkeit bleibt nach der bisherigen Rspr. trotz eines zwischenzeitlichen Arbeitsversuchs fortbestehen und lässt den Ablauf der sechswöchigen Entgeltfortzahlung unberührt, was auch für die Fälle krankheitsbedingter Unzumutbarkeit gelten muss. Bei einer Verweigerung aus Gewissensgründen ist der Fortzahlungsanspruch aber letztlich abzulehnen. Der Verlust des Lohnanspruchs ist angemessen, da die verfassungsrechtlich garantierte Gewissensfreiheit nicht bedeutet, dass auch wirtschaftliche Nachteile einem Vertragspartner aufgebürdet werden dürfen. Der Arbeitnehmer behält seinen Vergütungsanspruch jedoch, wenn der Arbeitgeber ihm im Rahmen des vertraglich Geschuldeten kraft Direktionsrecht eine andere Tätigkeit zuweisen kann. Allerdings ist dieser Anspruch wohl nicht aus § 615 Satz 1 BGB, sondern aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB herzuleiten; Pflichtverletzung ist die treuwidrige Unterlassung einer Umsetzung. Gleiches gilt wohl auch für die bisher in der Literatur meist auf § 615 Satz 1 BGB gestützte Herleitung des Vergütungsanspruchs im Fall einer gesetzeswidrigen Weisung des Arbeitgebers.