3.1 Erfüllbares Dienst-/Arbeitsverhältnis
Rz. 5
§ 615 BGB verlangt zunächst ein erfüllbares Dienstverhältnis, aufgrund dessen der Dienstverpflichtete zur Dienstleistung verpflichtet und der Dienstberechtigte zur Annahme berechtigt ist.
Rz. 6
Wird der Arbeitnehmer aufgrund eines Weiterbeschäftigungsanspruchs tätig, ist zwischen dem allgemeinen und dem besonderen Weiterbeschäftigungsanspruch zu differenzieren. Im Hinblick auf Ersteren ist ein erfüllbares Dienstverhältnis abzulehnen, soweit nicht dem Dienstberechtigten wegen einvernehmlicher Weiterbeschäftigung ein Anspruch auf die Dienstleistung zusteht. Denn in diesem Fall liegt ein zweckbefristetes Dienstverhältnis vor. Anders verhält es sich beim besonderen Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 Abs. 5 BetrVG. Hier besteht das bisherige Dienstverhältnis kraft Gesetzes bis zur rechtskräftigen Abweisung der Kündigungsschutzklage fort. Da die beiderseitigen Hauptleistungspflichten weiterhin existieren, kann der Arbeitgeber nach § 615 BGB in Annahmeverzug geraten.
Rz. 7
Gleiches gilt für den Vollzug eines nichtigen Arbeitsvertrags. Denn dieser bewirkt ein faktisches Arbeitsverhältnis, welches bis zur Geltendmachung der Unwirksamkeit als erfüllbares Arbeitsverhältnis zu behandeln ist.
Rz. 8
Im Rahmen eines Betriebsübergangs muss der Erwerber den gegenüber dem früheren Betriebsinhaber eingetretenen Annahmeverzug gegen sich gelten lassen. Dies gilt auch dann, wenn der Erwerber den Betrieb in der Insolvenz übernimmt. Fehlt es an den Voraussetzungen von § 613a BGB, mangelt es dem Anspruch aus § 615 BGB an der vertragsrechtlichen Grundlage.
Rz. 9
Wird der Arbeitnehmer seitens des Arbeitgebers suspendiert, scheidet ein Annahmeverzug aus, soweit Arbeits- und Vergütungspflicht ruhen.
3.2 Angebot zur Arbeitsleistung
3.2.1 Tatsächliches Angebot
Rz. 10
Nach § 293 BGB gerät der Gläubiger nur dann in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. § 294 BGB ordnet an, dass die vertraglich vereinbarte Leistung tatsächlich angeboten werden muss. Voraussetzung ist aber nach der Rechtsprechung ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis. Bei dem tatsächlichen Angebot handelt es sich um einen Realakt, der die Anwesenheit des Arbeitnehmers am Arbeitsplatz erfordert, auf den aber die Vorschriften über Willenserklärungen nicht anzuwenden sind. Von einem ordnungsgemäßen tatsächlichen Angebot ist auszugehen, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft in eigener Person, am rechten Ort, zur rechten Zeit und in der rechten Weise anbietet. Erfüllungsort ist der konkrete Arbeitsplatz im Betrieb, an dem sich der Arbeitnehmer zu Dienstbeginn einzufinden hat. Dabei ist das Wegerisiko vom Arbeitnehmer zu tragen, selbst wenn der Arbeitgeber einen Werksbus zur Verfügung stellt. Unter Umständen kann allein das Erscheinen am Arbeitsplatz noch nicht ausreichend sein, um ein tatsächliches Angebot des Arbeitnehmers anzunehmen, wenn daraus für den Arbeitgeber nicht mit hinreichender Eindeutigkeit erkennbar ist, dass der Arbeitnehmer tatsächlich arbeiten möchte. Ebenso wenig genügt das Anbieten einer Tätigkeit im Rahmen eines Wiedereingliederungsverhältnisses gem. § 74 SGB V, da dieses nicht Teil des Arbeitsverhältnisses ist, sondern ein eigenständiges Vertragsverhältnis, das auf die Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit und nicht auf den Austausch von Leistung und Gegenleistung gerichtet ist. Leiharbeitnehmer haben dem Verleiher ihre Arbeitsleistung anzubieten, da sie nur ihm ihre Dienste schulden. Allgemein wird aber ein Angebot an den Entleiher als ausreichend angesehen.
Nach § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG kann das Recht des Leiharbeitnehmers auf Vergütung bei Annahmeverzug des Verleihers nicht durch Vertrag aufgehoben oder beschränkt werden. Für Zeitarbeitsunternehmen gehört es zum typischen Risiko, bei fehlenden Einsatzmöglichkeiten trotzdem das vertraglich vereinbarte Entgelt fortzahlen zu müssen, was in dieser Form in anderen Arbeitsverhältnissen nicht besteht.