Prof. Dr. Michael Worzalla
Rz. 1
Für den Fall einer Betriebsveräußerung sollen durch § 613a BGB die bestehenden Arbeitsplätze geschützt und die Haftung des alten und des neuen Arbeitgebers geregelt werden. § 613a BGB schließt insbesondere eine Lücke im System des Kündigungsschutzes, die dadurch entsteht, dass der Betriebserwerber ohne eine entsprechende Sonderregelung nicht zur Übernahme der Arbeitnehmer verpflichtet wäre. Liegen die Voraussetzungen des § 613a BGB vor, so schützt dies nicht nur diejenigen Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bereits einen Bestandsschutz, z. B. nach dem KSchG erworben haben, sondern alle Arbeitnehmer. Die Norm regelt einen Vertragsübergang kraft Gesetzes.
Rz. 2
§ 613a BGB dient in seiner jetzigen Fassung der Umsetzung europäischer Richtlinien. Die Norm ist im Zweifelsfall europarechtskonform und entsprechend dem Zweck der Richtlinie auszulegen. Dieser besteht darin, zu verhindern, dass sich die Lage der übergehenden Arbeitnehmer allein aufgrund des Betriebsübergangs verschlechtert.
Rz. 3
Der Schutz des § 613a BGB besteht für alle Arbeitnehmer. Die Betriebsübergangsrichtlinie basiert auf einem einzelstaatlichen Arbeitnehmerbegriff (Art. 2 Abs. 2a, b RL 2001/23/EG), in Deutschland somit § 611a BGB. Der Schutz des § 613a BGB greift nur ein, wenn das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt des Betriebsübergangs besteht. § 613a BGB gilt nicht für Heimarbeiter, freie Mitarbeiter oder für Dienstverträge von Organen juristischer Personen, z. B. für einen Geschäftsführer einer GmbH. Etwas anderes kann dann gelten, wenn neben dem Geschäftsführer-Dienstverhältnis ausnahmsweise ein ruhendes Arbeitsverhältnis besteht. Die Arbeitsverhältnisse leitender Angestellter fallen unter § 613a BGB, auch Ausbildungsverhältnisse werden von § 613a BGB erfasst, ebenso gehen die Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmern in Altersteilzeit über, unabhängig davon, ob sich der Arbeitnehmer in der Arbeitsphase oder in der Freistellungsphase befindet. Gleiches gilt für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis ruht.
Rz. 4
Der Schutz des § 613a BGB ist unabdingbar, es handelt sich um zwingendes Recht. Ebenso wenig steht die Frage, ob und ggf. wann ein Betriebsübergang vorliegt, zur Disposition des Veräußerers und des Erwerbers. Mit dem Verbot von Umgehungsgeschäften lässt sich allerdings keine Erweiterung des Anwendungsbereichs von § 613a BGB begründen. § 613a BGB verbietet nach der Rechtsprechung des BAG keine Gestaltung von wirtschaftlichen Prozessen, mit der die tatsächlichen Voraussetzungen eines Betriebsübergangs vermieden werden. Ohne besondere Anhaltspunkte stellt eine solche Gestaltung regelmäßig auch keine treuwidrig herbeigeführte Sachlage dar, die nach § 162 BGB zur Bejahung eines Betriebsübergangs führte.
Rz. 5
Ist für einen Arbeitsvertrag deutsches Recht maßgeblich, so ist die Frage, ob ein Betriebsübergang vorliegt, nach § 613a BGB zu beurteilen. Das gilt auch dann, wenn ein Betriebsteil bei Wahrung der Identität in ein Land außerhalb des Geltungsbereichs der RL 2001/23/EG verlagert wird. Offen gelassen hat das BAG bisher, ab welcher Entfernung von einem Verlust der Betriebsidentität auszugehen ist.