Prof. Dr. Michael Worzalla
Rz. 14
Ein Übergang des Arbeitsverhältnisses nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB setzt den Übergang eines Betriebs "durch Rechtsgeschäft" voraus. Der Inhalt eines oder mehrerer Rechtsgeschäfte muss dabei dem Erwerber die betriebliche Fortführungsmöglichkeit eröffnen. Der Zweck dieser Beschränkung auf rechtsgeschäftliche Betriebsübergänge lag nach bisheriger Rechtsprechung darin, die Fälle der Gesamtrechtsnachfolge kraft Gesetzes oder sonstigen Hoheitsakts von der Anwendung der Vorschrift auszuschließen. Allerdings wird der Begriff des Rechtsgeschäfts weit ausgelegt und erfasst alle Fälle, in denen die für den Betrieb verantwortliche natürliche oder juristische Person, welche die Arbeitgeberverpflichtung gegenüber den Beschäftigten eingeht, im Rahmen vertraglicher oder sonstiger rechtsgeschäftlicher Beziehungen wechselt, ohne dass unmittelbare Vertragsbeziehungen zwischen dem bisherigen Inhaber und dem Erwerber bestehen müssen. Es reicht aus, dass das Rechtsgeschäft mit einem Dritten abgeschlossen wird. So ist es möglich, dass bei einer Auftragsnachfolge ein Betriebsübergang sogar ohne Kenntnis des früheren Inhabers stattfinden kann. Auch kann die Übertragung durch ein Bündel von Rechtsgeschäften erfolgen. Maßgeblich und ausreichend ist, dass dem Übernehmer die fraglichen Betriebsmittel zugerechnet werden können, weil dieser die arbeitstechnische Organisationsgewalt über diese ausüben kann.
Erforderlich für die Anwendung des § 613a BGB ist, dass der Erwerber eine im Wesentlichen unveränderte Arbeitsaufgabe fortführt.
Die Rechtsnatur des Vertrags ist unerheblich, ebenfalls ist grds. unerheblich, ob das Rechtsgeschäft zivilrechtlich wirksam ist. Ausreichend ist auch eine Nutzungsvereinbarung. Keine Übernahme durch Rechtsgeschäft auf einen Insolvenzverwalter liegt vor, wenn jener einen Betrieb aufgrund seiner Stellung nach der InsO weiterführt. Veräußert dagegen der Insolvenzverwalter einen Betrieb an einen Erwerber, stellt dies ein Rechtsgeschäft i. S. d. § 613a BGB dar. An einem rechtsgeschäftlichen Erwerb fehlt es, wenn ein Betriebsinhaberwechsel aufgrund eines Zuschlags in der Zwangsversteigerung stattfindet. Kündigt hingegen der Zwangsverwalter eines Grundstücks den Pachtvertrag über ein auf diesem Grundstück betriebenes Hotel und führt er dieses selbst weiter, liegt ein Betriebsübergang vor.
Rz. 15
In den Fällen einer Gesamtrechtsnachfolge durch Verschmelzung, Spaltung oder Vermögensübertragung nach dem Umwandlungsgesetz findet § 613a BGB über § 35a Abs. 2 UmwG Anwendung. Die Vorschrift hat § 324 UmwG abgelöst, führt aber nicht zu einer Änderung der Rechtslage. Es treten die unter den Voraussetzungen des § 613a BGB vorgeschriebenen Rechtsfolgen ein. Der bloße Erwerb von Unternehmensanteilen genügt nicht. Erlischt der Veräußerer in einem solchen Fall der Unternehmensumstrukturierung, entfällt das Widerspruchsrecht nach § 613a Abs. 6 BGB, wenn ein Arbeitsverhältnis nicht erhalten bleiben kann.
Rz. 16
§ 613a BGB findet auch Anwendung, wenn die öffentliche Hand einen Betrieb übernimmt. Art. 1 Abs. 1c RL 2001/23/EG nimmt lediglich die Übertragung von Aufgaben im Zuge einer Umstrukturierung von Verwaltungsbehörden oder die Übertragung von Verwaltungsaufgaben auf eine andere Verwaltungsbehörde von der Anwendung der Richtlinie aus. Wird durch öffentlich-rechtlichen Vertrag die Durchführung einer nicht hoheitlichen Verwaltungsaufgabe jedoch auf einen Privaten übertragen, kann § 613a BGB anwendbar sein. Der EuGH hat mehrfach entschieden, dass die Anwendung der Richtlinie nicht schon dann ausgeschlossen ist, wenn der Übergang auf einseitigen Entscheidungen der staatlichen Stellen und nicht auf einer Willensübereinstimmung beruht.