Cesare Vannucchi, Dr. Marcel Holthusen
Rz. 641
Die arbeitsvertragliche Nebenpflicht zur Qualifizierung kann sich auch auf Sprachkenntnisse erstrecken, um Entwicklungen neuer Techniken und Arbeitsinhalten folgen zu können. Bei Zertifizierungen im Rahmen von Qualitätsmanagementverfahren können ausreichende Sprach- und Lesefertigkeiten verlangt werden.
Allerdings ist zu fragen, ob sprachliche Anforderungen nicht zu einer mittelbaren Diskriminierung nach § 7 Abs. 1 AGG, Art. 3 Abs. 3 GG führen, weil fehlende Sprachkenntnisse häufiger bei Arbeitnehmern mit Migrationshintergrund vorkommen werden. Die Diskriminierungsverbote des AGG sind trotz der Bestimmung des § 2 Abs. 4 AGG als Konkretisierungen des Begriffs der Sozialwidrigkeit bei der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe des KSchG zu berücksichtigen. Es stellt jedoch keine nach § 3 Abs. 2 AGG missbilligte mittelbare Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft dar, wenn der Arbeitgeber eine Kenntnis der deutschen Schriftsprache verlangt, die für die vom Arbeitnehmer auszuübende Tätigkeit unabdingbar erforderlich ist.
Rz. 642
Fehlende oder mangelnde Sprachkenntnisse können aber nur dann eine Kündigung personenbedingt rechtfertigen, wenn der Arbeitnehmer nicht in der Lage ist, die Sprache in zumutbarer Zeit ausreichend zu erlernen, und ihre Beherrschung notwendig ist, um die Arbeitsleistung zu erbringen. Dem Arbeitnehmer ist Gelegenheit zu geben, die notwendigen sprachlichen Fähigkeiten zu erwerben. Weigert er sich, kommt nach vorheriger Abmahnung eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht.
Bei Einführung eines neuen Qualitätsmanagement-Systems können sich die Anforderungen an die sprachlichen Fähigkeiten zum Verstehen und Lesen deutschsprachiger Arbeitsanweisungen steigern.
Bessere Deutschkenntnisse kann der Arbeitgeber im Wege des Direktionsrechts aber nur dann fordern, wenn er sich dies entsprechend vorbehalten hat; ansonsten wird eine personenbedingte Änderungskündigung erforderlich. Die Kosten für einen Deutschkurs wird der Arbeitgeber zu tragen haben, denn die gesteigerten Anforderungen stammen aus der Sphäre des Arbeitgebers.
Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei Fortbildungsmaßnahmen nach § 97 Abs. 2 BetrVG sind zu beachten.