4.1.1 Vorbehaltserklärung (Satz 1)

 

Rz. 66

Die Annahme unter Vorbehalt ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Sie ist nur dann beachtlich, wenn sie entsprechend den allgemeinen Grundsätzen für empfangsbedürftige Willenserklärungen hinreichend klar gegenüber dem Arbeitgeber erklärt wird. Die Vorbehaltsannahme kann auch durch einen Vertreter ausgesprochen werden (vgl. §§ 164 ff. BGB). Sie ist nicht formbedürftig, also mündlich oder schriftlich möglich. Grundsätzlich kommt auch eine Erklärung durch schlüssiges Verhalten in Betracht.

 

Rz. 67

Eine Weiterarbeit zu den neuen Bedingungen nach Ablauf der Kündigungsfrist ist regelmäßig als schlüssige Erklärung einer vorbehaltlosen Annahme des Änderungsangebots zu deuten, da dadurch kein Vorbehalt zum Ausdruck gebracht wird.[1]

 
Hinweis

Beabsichtigt der Arbeitnehmer, das Änderungsangebot lediglich vorbehaltlich seiner sozialen Rechtfertigung anzunehmen, um es nach §§ 2, 4 Satz 2 KSchG gerichtlich überprüfen zu lassen, sollte er dies eindeutig gegenüber dem Arbeitgeber zum Ausdruck bringen, um nicht Gefahr zu laufen, dass seine Weiterarbeit zu den neuen Bedingungen als vorbehaltlose Annahme angesehen wird.

 

Rz. 68

Die Vorbehaltsannahme kann grundsätzlich auch mit oder in der Änderungsschutzklage nach § 4 Satz 2 KSchG erklärt werden. Für die Fristwahrung ist allerdings erst der Zugang beim Arbeitgeber maßgeblich.[2] § 167 ZPO, wonach für die Klageerhebung der rechtzeitige Eingang bei Gericht genügt, findet nur für die Erhebung der Klage selbst, nicht jedoch für die Erklärung der Vorbehaltsannahme Anwendung.

Nach der Rechtsprechung des BAG ist daher die Erklärung des Vorbehalts mit der Klageschrift nicht rechtzeitig, wenn diese erst nach Ablauf von 3 Wochen dem Arbeitgeber zugestellt wird.[3]

[1] Vgl. BAG, Urteil v. 19.6.1986, 2 AZR 565/85, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 16, zu B IV 2 der Gründe.
[2] BAG, Urteil v. 17.6.1998, 2 AZR 336/97, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 49.
[3] BAG, Urteil v. 17.6.1998, 2 AZR 336/97, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 49; a. A.: KR/Kreft, § 2 KSchG Rz. 129, 130: Ist die Kündigungsfrist länger als die 3-Wochen-Frist des § 4 KSchG, kann die Erklärung des Vorbehalts in der rechtzeitig beim Gericht eingereichten und "demnächst" zugestellten Klage ausreichen.

4.1.2 Frist für die Abgabe der Vorbehaltserklärung (Satz 2)

 

Rz. 69

Der Arbeitnehmer muss die Vorbehaltsannahme gegenüber dem Arbeitgeber innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens jedoch innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der Kündigung erklären (§ 2 Satz 2 KSchG). Ist die Kündigungsfrist also kürzer als 3 Wochen, gilt diese, anderenfalls muss die Vorbehaltsannahme spätestens binnen 3 Wochen dem Arbeitgeber zugegangen sein. Für die Fristberechnung gelten die Regelungen nach §§ 187 ff. BGB.

 

Beispiele

  • Am Donnerstag, den 7.9., geht dem Arbeitnehmer eine fristgerechte Änderungskündigung zum 31.10. zu. Die Vorbehaltsannahme muss er nach § 2 Satz 2 KSchG binnen 3 Wochen gegenüber dem Arbeitgeber erklären. Wäre die Kündigungsfrist kürzer als 3 Wochen, gölte diese. Nach § 187 Abs. 1 BGB zählt der Tag des Zugangs bei der Fristberechnung nicht mit. Der Arbeitnehmer muss also die Vorbehaltsannahme bis spätestens Donnerstag, den 28.9., gegenüber dem Arbeitgeber erklären.

Die Klagefrist beträgt ebenfalls 3 Wochen. Um diese zu wahren, genügt der Eingang der Klageschrift bei Gericht am Donnerstag, den 28.9. Soll die Vorbehaltsannahme mit der Klage verbunden werden, müsste diese so rechtzeitig eingereicht werden, dass sie noch bis zum 28.9. dem Arbeitgeber zugestellt wird. Auf den Geschäftsgang bei Gericht hat der Arbeitnehmer jedoch keinen Einfluss. Es empfiehlt sich daher, die Vorbehaltsannahme auf jeden Fall noch einmal gesondert fristgerecht gegenüber dem Arbeitgeber zu erklären.

  • Fällt das Fristende auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag, läuft die Frist nach § 193 BGB erst am darauf folgenden Werktag ab.
 

Rz. 70

Hat der Arbeitnehmer sein Einverständnis mit den neuen Bedingungen bereits vor Ausspruch der Kündigung unter Vorbehalt erklärt, liegt darin die Ankündigung einer Änderungsschutzklage für den Fall der Änderungskündigung, bei der dem Arbeitnehmer ebenfalls die Rechte des § 2 KSchG zustehen.[1]

 

Rz. 71

Erklärt der Arbeitnehmer nicht fristgerecht nach § 2 Satz 2 KSchG die Vorbehaltsannahme gegenüber dem Arbeitgeber, wirkt die Kündigung mit Ablauf der Frist wie eine Beendigungskündigung mit der Folge, dass der Arbeitnehmer nach § 4 Satz 1 KSchG nur Klage auf Feststellung erheben kann, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist.

[1] BAG, Urteil v. 21.4.2005, 2 AZR 132/04, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 79, NZA 2005, 1289.

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