Rz. 32
Nach 8 Abs. 1 Rom I-VO (ehemals Art. 30 Abs. 1 EGBGB) darf die Rechtswahl der Parteien nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts gewährt wird, das mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre. Der Arbeitnehmerschutz soll also nicht durch Rechtswahl umgangen werden können. Unklar und bisher ohne Hinweis in der Rechtsprechung ist der Kreis der Parameter des Günstigkeitsvergleichs, welche Regelungen man also im Einzelnen einbeziehen muss: Ist es die punktuelle Bestimmung, etwa die einzelne Kündigungsfrist, oder der gesamte Normenkomplex, also etwa alle Regelungen über die Beendigung von Arbeitsverhältnissen? Letzteres wäre nur möglich, hätte man hier objektive Kriterien, anhand derer ganz unterschiedliche Schutzsysteme miteinander verglichen und bewertet werden können. Ein solches System ist nicht in Sicht. Ein Gesamtvergleich wird daher allgemein abgelehnt. Die wohl h. M. argumentiert enger und favorisiert einen Sachgruppenvergleich, wie er aus dem Tarifvertragsrecht bekannt ist, wenn auch das Verständnis dessen, was als Sachgruppe zu werten ist, wohl nicht ganz einheitlich ist.
Rz. 33
Freilich gibt es gerade im Kündigungsschutz abweichende Ansätze. So beschränkte eine Entscheidung des LAG Baden-Württemberg den Günstigkeitsvergleich allein auf den streitigen Rechtsanspruch. Das Gericht hatte im Rahmen einer Abfindungsklage darüber zu entscheiden, ob das Vertragsverhältnis zwischen einem deutschen, auch in Deutschland wohnhaften Außendienstmitarbeiter und seiner belgischen Arbeitgeberin dem deutschen oder dem belgischen Recht unterliegt. Weil der streitige Rechtsanspruch damit ein Zahlungsanspruch war, zog das Gericht den Bestandsschutz des KSchG nicht mit in die Betrachtung ein. Man mag fragen, ob damit der Vergleichsmaßstab nicht doch zu eng gewählt wurde, denn ein Arbeitsverhältnis, das nicht gekündigt werden kann, kann vorteilhafter sein als eines, das nur mit längerer (belgischer) Frist gekündigt werden kann. Zur Frage der Günstigkeit hätte dann aber ermittelt werden müssen, ob denn die Kündigung nach deutschem Recht möglich gewesen wäre, ggf. ob der Kläger ein leitender Angestellter gewesen ist und ohne Begründung der Auflösungsantrag durch den Arbeitgeber gestellt werden könnte, schließlich wie hoch dann wohl die Abfindung ausgefallen wäre. Das führt ersichtlich zu weit, und daher dürfte der Ansatz des Gerichts sicherlich der praktikablere gewesen sein. Anzuknüpfen allein am geltend gemachten Anspruch dürfte dennoch nicht der richtige Weg sein, denn hiernach hätte es der Arbeitnehmer durch Wahl seines Klagebegehrens in der Hand, das auf die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses anwendbare Recht zu bestimmen: Will er Bestandsschutz, dann klagt er auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und das deutsche Recht ist anwendbar. Will er eine Abfindung, stützt er dies auf belgisches Recht. Der Arbeitgeber, der wirksam kündigen wollte, müsste beide Schutzsysteme einhalten.