Die Ansprüche aus § 1004 Abs. 1 BGB (Grundeigentum) und § 862 Abs. 1 BGB (Grundbesitz) sind ausgeschlossen, wenn eine Pflicht zur Duldung der Einwirkungen aus der nachbarlichen Tierhaltung besteht.
- Für den Eigentümer legt dies § 1004 Abs. 2 BGB ausdrücklich fest.
- Für den Besitzer gilt nach allgemeiner Meinung trotz fehlender gesetzlicher Regelung dasselbe, weil die Rechte des Besitzers nicht weitergehen können, als die des Eigentümers.
Rechtsgrundlage für die Duldungspflicht bei zivilrechtlichen Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen ist § 906 BGB. Diese Vorschrift lautet in dem hier interessierenden Zusammenhang wie folgt:
"Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Geräuschen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verhindern, als die Einwirkung die Benutzung nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Das gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind." (Zu den Einwirkungen s. ausführlich Wegner, Lärm und sonstige belästigende Einwirkungen aus der Nachbarschaft, Kap. 2.4.2 Welche Einwirkungen meint das Gesetz?).
"Einwirkungen" der nachbarlichen Tierhaltung: Nur Geräusch- oder Geruchsbelästigungen
Die Duldungspflicht nach § 906 BGB bezieht sich an und für sich nur auf die Einwirkungen der nachbarlichen Tierhaltung, die sich etwa als Geräusch- oder Geruchsbelästigungen bemerkbar machen. Dringt ein Tier selbst aus der Nachbarschaft ungebeten in ein fremdes Grundstück oder eine fremde Wohnung ein, besteht keine Duldungspflicht nach dieser Vorschrift.
Ausnahme
Eine Ausnahme soll nach der Rechtsprechung hier nur für Insekten oder Kleinsttiere gelten (etwa Bienen oder Tauben), weil deren völlige Fernhaltung ebenso wie bei den in § 906 Abs. 1 BGB ausdrücklich genannten Einwirkungen tatsächlich nicht durchführbar ist. Dagegen wird das Eindringen anderer Tiere, wie Hühner, Hunde, Katzen, Kaninchen oder Schafe durch § 906 Abs. 1 BGB nicht gedeckt. Hier besteht grundsätzlich ein Verbietungsrecht des Grundstückseigentümers/-besitzers, selbst wenn die Einwirkung unwesentlich oder ortsüblich ist.
Bei Katzen erkennt die Rechtsprechung an, dass zum einen ihr freier Auslauf zumindest in Wohngegenden mit Einzel- oder Reihenhausbebauung zu ihrer artgemäßen Haltung zählt und sie sich als herumstreifende Schleichräuber mit großem Jagdrevier im Gegensatz zum Hund weitgehend menschlicher Einflussnahme entziehen. Deshalb wird von der Rechtsprechung beim Betreten fremder Grundstücke durch Hauskatzen aus der Nachbarschaft eine Duldungspflicht in gewissem Umfang aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis hergeleitet.
Aber: Jede weitergehende Beeinträchtigung durch eine Katze, die über das bloße Betreten des Grundstücks des Nachbarn hinausgeht, muss der Nachbar nicht dulden. So z. B., wenn die Katze Sandablagerungen und Haare auf einem auf dem Nachbargrundstück geparkten Kfz hinterlässt und dabei auch Kratzer am Lack des Autos verursacht.
Davon abgesehen verbleibt es bei der Regelung in § 906 BGB, wonach die Auswirkungen der nachbarlichen Tierhaltung nur geduldet werden müssen, wenn sie entweder unwesentlich oder zwar wesentlich, aber ortsüblich und mit wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen nicht zu verhindern sind.
1.2.4.1 Zur Wesentlichkeit von Beeinträchtigungen durch die nachbarliche Tierhaltung
Beeinträchtigungen als solche, die aus der nachbarlichen Tierhaltung resultieren, sind nicht schon deshalb abwehrbar, weil sie mit der Nase oder dem Ohr sinnlich wahrnehmbar sind. Sie sind es vielmehr erst dann, wenn sie wesentlich im Sinn des § 906 BGB sind.
Die Frage nach der Wesentlichkeit ist einerseits eine ganz entscheidende Fragestellung, weil nicht jede "vermeintliche" Belästigung durch die nachbarliche Tierhaltung untersagt werden kann, sondern nur eine solche, die als wesentlich zu qualifizieren ist. Zum anderen handelt es sich um eine äußerst schwierige Fragestellung, weil der Begriff der Wesentlichkeit keine festen Konturen besitzt und einen weiten Auslegungsspielraum zulässt: Was der eine für wesentlich hält, kann für den anderen, der das Leben leicht nimmt, durchaus unwesentlich sein.
Grenz- und Richtwerte
Wegen dieser Problematik hat der Gesetzgeber im Jahr 1994 eine Konkretisierung dieses Begriffs in § 906 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BGB dahingehend vorgenommen, dass "eine (nur) unwesentliche Beeinträchtigung in der Regel (dann) vorliegt, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegte Grenz-oder Rich...