Rz. 1
In den §§ 42–46 BetrVG ist die Betriebsversammlung normiert. Während die Befugnisse der Betriebsversammlung nur eine oberflächliche Regelung erfahren haben, sind die organisatorischen Fragen in den genannten Bestimmungen ausführlich und äußerst detailliert behandelt. Trotz ihrer geringen Befugnisse hat die Betriebsversammlung in der Praxis eine große Bedeutung. Sie ist "Sprachrohr" der Belegschaft gegenüber dem Betriebsrat und ermöglicht diesem dadurch eine weitgehende Rückkopplung an die geäußerten Bedürfnisse und den Willen der Arbeitnehmerschaft. Charakteristisch für dieses Forum der Aussprache zwischen Betriebsrat und Belegschaft ist, dass sie grundsätzlich als nicht-öffentliche Präsenzveranstaltung stattfindet, in der alle Teilnahmeberechtigten an einem Ort zusammenkommen und dort bei allseitiger Sicht- und Hörbarkeit miteinander kommunizieren und diskutieren können.
Rz. 2
Die Bestimmungen der §§ 42–46 BetrVG sind zwingend und können weder durch Tarifvertrag, noch durch Betriebsvereinbarung ganz oder teilweise abbedungen werden. Freiwillige Betriebsvereinbarungen zur näheren Ausgestaltung der Betriebsversammlung haben daher nur insoweit eine eigenständige normative Wirkung, soweit sie die Regelungen der §§ 42-46 BetrVG unberührt lassen.
Rz. 3
Die Betriebsversammlung besteht aus den Arbeitnehmern eines Betriebs. Umstritten ist, ob die Betriebsversammlung ein echtes Organ oder nur eine Institution der Betriebsverfassung ist. Praktische Bedeutung hat diese Frage kaum. Der Gesetzgeber hat der Betriebsversammlung nämlich jede Befugnis zu einer nach außen wirkenden oder auch nur nach innen verbindlichen Entscheidung verwehrt. Die Betriebsversammlung kann zwar Beschlüsse fassen; diese haben jedoch keine bindende Wirkung. Sie kann weder Willenserklärungen mit Wirkung für die Arbeitnehmer abgeben, noch Betriebsvereinbarungen mit dem Arbeitgeber schließen. Auch kann sie dem Betriebsrat gegenüber keine verbindlichen Weisungen erteilen.
Rz. 4
Das BAG hat die Betriebsversammlung mit der Mitgliederversammlung des Vereins verglichen und ausgeführt: "Dennoch ist eine gewisse Parallele zur Aufgabenstellung des vereinsrechtlichen Organs Mitgliederversammlung erlaubt. Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hat der Betriebsrat, der die Belegschaft wie ein Vereinsvorstand gegenüber dem Dritten, dem Arbeitgeber, vertritt, einmal in jedem Kalendervierteljahr über seine Tätigkeit der Belegschaft Rechenschaft zu legen. Die Betriebsversammlung kann nach § 45 Satz 2 BetrVG an den Betriebsrat ihre Wünsche und Kritik herantragen, indem sie auf der Betriebsversammlung Anträge (im Sinne von Anregungen) unterbreitet und Stellungnahmen beschließt. Wenn auch ihren Entscheidungen im Unterschied zur Mitgliederversammlung eines Vereins keine Verbindlichkeit zukommt, so vollzieht sich dennoch auf der Betriebsversammlung – insofern einer Mitgliederversammlung vergleichbar – die Meinungsbildung der Belegschaft. Sie wird daher auch als Forum der Aussprache zwischen Belegschaft und Betriebsrat bezeichnet"
Die Betriebsversammlung dient also der Kommunikation und Information zwischen Betriebsrat und Arbeitnehmern: Auf der einen Seite werden die Arbeitnehmer über die sie berührenden und interessierenden Fragen unterrichtet; auf der anderen Seite erlangt der Betriebsrat Kenntnis vom Meinungsbild der Belegschaft.
Rz. 5
Die Betriebsversammlung ist dem Betriebsrat aber in keinster Weise übergeordnet. Sie kann diesem gegenüber keine verbindlichen Beschlüsse fassen oder diesen gar insgesamt oder einzelne Betriebsräte abwählen. Wird in der Betriebsversammlung allen oder einzelnen Mitgliedern das Misstrauen ausgesprochen, so kann dies lediglich dazu führen, dass diese freiwillig ihr Amt niederlegen. Eine rechtliche Bedeutung besitzt eine entsprechende Misstrauensäußerung hingegen nicht.