Rz. 23
Für die regelmäßige und die zusätzlichen Betriebsversammlungen nach § 43 Abs. 1 Satz und 4 BetrVG sowie die vom Arbeitgeber beantragten Betriebsversammlungen ist die Zeit der Teilnahme einschließlich der zusätzlichen Wegezeiten "wie Arbeitszeit" zu vergüten, § 44 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Dasselbe gilt für die Wahlversammlung des vereinfachten Wahlverfahrens für Kleinbetriebe nach § 14a BetrVG und die Betriebsversammlung zur Bestellung des Wahlvorstands nach § 17 BetrVG.
Dadurch wird sichergestellt, dass die Arbeitnehmer aufgrund der Teilnahme an Betriebsversammlungen keine finanziellen Einbußen erleiden und wird nach der Rechtsprechung des BAG darüber hinaus sogar ein finanzieller Anreiz für die Teilnahme gegeben.
Bei Leiharbeitnehmern, die an einer Betriebsversammlung im Entleiherbetrieb teilnehmen, richtet sich der Anspruch auf Vergütung gegen den Verleiher als Vertragspartner.
Keinen Anspruch haben sog. Ein-Euro-Jobber, da der Arbeitgeber ihnen kein Entgelt schuldet.
Rz. 24
§ 44 Abs. 1 Satz 3 1. Halbsatz BetrVG ordnet die Vergütungspflicht auch ausdrücklich für den Fall an, wenn die Versammlung wegen der Eigenart des Betriebs außerhalb der Arbeitszeit stattfindet. Auch hier ist Arbeitszeit im Sinne von betrieblicher Arbeitszeit zu verstehen. Findet die Betriebsversammlung außerhalb der betrieblichen Arbeitszeit statt, so ist den Arbeitnehmern die Zeit der Teilnahme an der Betriebsversammlung einschließlich der Wegezeit mithin nur dann wie Arbeitszeit zu vergüten, wenn die Eigenart des Betriebs eine Betriebsversammlung außerhalb der Arbeitszeit zwingend erforderte.
Rz. 25
Den Anspruch auf Vergütung nach § 44 Abs. 1 Satz 2 BetrVG besitzt nur, wer an der Betriebsversammlung tatsächlich teilnimmt. Der Anspruch besteht nach ständiger Rechtsprechung auch für Arbeitnehmer, die an einer Betriebsversammlung während ihres Urlaubs oder einer Arbeitsunfähigkeit teilnehmen. Für Betriebsratsmitglieder, die an einer Betriebsversammlung in ihrem Betrieb teilnehmen, treten die Anspruchsgrundlagen des § 44 BetrVG und § 37 Abs. 2 und 3 BetrVG nebeneinander.
Arbeitnehmer, die an der Versammlung nicht teilnehmen, haben keinen Anspruch aus § 44 Abs. 1 Satz 2 und 3 BetrVG. Sie sind jedoch weiterhin zur Arbeitsleistung verpflichtet und erhalten hierfür ihr normales Arbeitsentgelt.
Nimmt der Arbeitgeber die angebotene Arbeit nicht an, kommt er in Annahmeverzug mit der Folge, dass der Arbeitnehmer seinen Vergütungsanspruch nach § 615 BGB behält. Das gilt auch, wenn der Arbeitgeber den an der Versammlung nicht teilnehmenden Arbeitnehmer infolge der Betriebsversammlung aus betriebstechnischen oder -organisatorischen Gründen nicht mehr (sinnvoll) beschäftigen kann und die Arbeit deshalb ausfällt. Die Betriebsunterbrechung infolge einer Betriebs- bzw. Abteilungsversammlung ist ein der betrieblichen Sphäre des Arbeitgebers zuzurechnender Umstand.
3.1.1 Rechtsnatur und Dauer des Vergütungsanspruchs
Rz. 26
§ 44 Abs. 1 Satz 2 und 3 BetrVG sind keine bloßen Lohnerhaltungsnormen; denn sie bewirken nicht lediglich, dass der Arbeitnehmer, der an einer Betriebsversammlung teilnimmt, vergütet wird, als hätte er seine normale Arbeitsleistung erbracht. Vielmehr stellen diese Bestimmungen eine eigene materielle Anspruchsgrundlage dar.
§ 44 Abs. 1 Satz 2 BetrVG regelt allein vergütungsrechtliche Fragen; eine Aussage dazu, ob die Zeiten Arbeitszeit im Sinne der tariflichen Bestimmungen oder der arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen des ArbZG sind, enthält die Norm nicht. Dies ist deshalb anhand der jeweiligen in Streit geltenden Bestimmungen zu klären.
Rz. 27
Einzige Voraussetzung für das Entstehen des Vergütungsanspruches ist, dass der Arbeitnehmer an einer der in § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG genannten Betriebsversammlungen teilnimmt. Es ist nicht zu prüfen, ob er, hätte er an der Betriebsversammlung nicht teilgenommen, einen Lohnanspruch erworben hätte. Auch kommt es nicht darauf an, ob und inwieweit er ohne die Vergütung nach § 44 Abs. 1 Satz 2 BetrVG einen Lohnverlust erleiden würde. Er besteht also grundsätzlich sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer ohne die Versammlung einen Lohnanspruch in derselben Höhe erlangt hätte.
Der Vergütungsanspruch ist daher nicht auf den Zeitraum begrenzt, an den der Arbeitnehmer seine persönliche Arbeitszeit hat, sondern erstreckt sich auf die gesamte Dauer der Versammlung.
Teilzeitkräften wird etwa die volle Zeit der Versammlung vergütet, auch wenn ihre geschuldete tägliche Arbeitszeit geringer ausfällt.
Rz. 28
Da das Lohnausfallprinzip nicht gilt, soll nach der Rechtsprechung des BAG auch Arbeitnehmern, die sich im Urlaub befinden, die in Elternzeit sind oder die sich in Streik befinden und dennoch an ei...