4.1 Antrag des Arbeitgebers
Rz. 49
Wenn der Betriebsrat die Zustimmung verweigert bzw. sich innerhalb der 3-Tages-Frist bzw. Wochenfrist nicht äußert, kann der Arbeitgeber gem. § 103 Abs. 2 BetrVG beim Arbeitsgericht Antrag auf gerichtliche Zustimmungsersetzung stellen. Dieser Antrag darf aber nicht vor Ablauf dieser Fristen bzw. der Zustimmungsverweigerung gestellt werden, er wird auch nicht aufgrund einer nachträglichen Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats zulässig. Auch im Rahmen des Zustimmungsverfahrens nach § 103 BetrVG beginnt die Kündigungserklärungsfrist mit Kenntnis des Arbeitgebers von den für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen zu laufen.
4.2 Überprüfung durch das Arbeitsgericht
Rz. 50
Das Arbeitsgericht hat in vollem Umfang nachzuprüfen, ob die beantragte Kündigung oder Versetzung wirksam bzw. dringend notwendig ist oder nicht, es hat von Amts wegen alle maßgebenden Umstände aufzuklären, soweit sich der Arbeitgeber auf einen bestimmten Sachverhalt beruft. Das Arbeitsgericht überprüft nicht lediglich die Ermessensentscheidung des Betriebsrats, sondern es trifft eine Rechtsentscheidung. Nach § 103 Abs. 2 Satz 1 BetrVG i. V. m. § 15 Abs. 1 KSchG hat der Arbeitgeber einen Anspruch auf Ersetzung der Zustimmung, wenn die beabsichtigte außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist. Dies setzt einen wichtigen Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB voraus, d. h. es müssen Tatsachen vorliegen, aufgrund derer der Arbeitgeberin unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Der betroffene Arbeitnehmer ist gem. § 103 Abs. 2 Satz 3 BetrVG Beteiligter und berechtigt, gegen für ihn ungünstige Entscheidungen Rechtsmittel einzulegen.
Rz. 50a
Da das Ergebnis des Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 103 Abs. 2 BetrVG eine präjudizielle Bindungswirkung für einen sich anschließenden Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Kündigung im Urteilsverfahren entfaltet, muss der im vorliegenden Beschlussverfahren geltende Amtsermittlungsgrundsatz entsprechend angepasst werden. Die Amtsermittlungspflicht darf weder zu einer Bevorzugung noch zu einer Benachteiligung des Betriebsratsmitglieds führen. Insbesondere sind die Arbeitsgerichte durch den Untersuchungsgrundsatz gemäß § 83 Abs. 1 Satz 1 ArbGG nicht gehalten, einen ungenügend vorgetragenen Kündigungssachverhalt zugunsten des Arbeitgebers aufzuklären und hierbei von sich aus Beweis zu erheben. Wegen des im Beschlussverfahren gemäß § 83 Abs. 1 Satz 1 ArbGG geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes ist es insoweit unerheblich, wer die Beweismittel im Prozess angeboten hat. Alle notwendigen Beweise sind von Amts wegen zu erheben.
4.3 Nachschieben von Kündigungsgründen
Rz. 51
Der Arbeitgeber kann während des Zustimmungsersetzungsverfahrens grundsätzlich noch neue Gründe vorbringen. Anders als beim Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG, können nicht nur solche Tatsachen nachgeschoben werden, die bei Einleitung des Zustimmungsersetzungsverfahrens bereits vorlagen, sondern vielmehr auch solche Umstände, die erst im Laufe des Verfahrens bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss eintreten. Das Zustimmungsersetzungsverfahren bezieht sich nämlich nicht auf einen bereits abgeschlossenen Tatbestand, sondern auf eine erst zukünftig auszusprechende Kündigung. Auch können bei Einleitung des Verfahrens vorliegende Tatsachen ohne Rücksicht darauf nachgeschoben werden, ob sie dem Arbeitgeber bekannt waren oder nicht. Der Zweck des Zustimmungsersetzungsverfahrens, die Unbefangenheit der Amtsführung durch den Schutz vor unberechtigten Kündigungen zu gewährleisten, wird durch das nachträgliche Vorbringen weiterer Kündigungsgründe nicht beeinträchtigt. Der Betriebsrat bleibt nach wie vor frei, über seine Zustimmung zu entscheiden und die Wirksamkeit einer Kündigung zu verhindern. Da das gerichtliche Verfahren grundsätzlich nur im Fall der Zustimmungsverweigerung einzuleiten ist, mithin dem betrieblichen Zustimmungsverfahren nachgeordnet ist, muss der Arbeitgeber aber den Betriebsrat zuvor Gelegenheit geben, seine Stellungnahme im Licht der neuen Tatsachen zu überprüfen. Die neuen Gründe müssen nicht innerhalb von 2 Wochen nach Bekanntwerden in das gerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren eingeführt werden. Der Zweck der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB, alsbald Klärung darüber zu schaffen, ob wegen eines bestimmten Vorfalls außerordentlich gekündigt werden soll, ist bei einem anhängigen Beschlussverfahren auf Zustimmungsersetzung mit der rechtzeitigen Bet...