3.1.1 Begriff
Rz. 26
Unter einem Sozialplan versteht § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG die Einigung über den Ausgleich oder die Minderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der Durchführung der geplanten Betriebsänderung voraussichtlich entstehen werden. Während mit dem Interessenausgleich die Betriebsänderung selbst gestaltet werden kann, regelt der Sozialplan also die Auswirkungen der Betriebsänderung. Das Gesetz spricht vom Ausgleich oder der Milderung der wirtschaftlichen Nachteile. Ausdrücklich beschränkt wird der Ausgleich auf wirtschaftliche Nachteile; einen Ausgleich anderer – insbesondere immaterieller – Nachteile sieht das Gesetz nicht vor. Die Formulierung zeigt weiter, dass ein Sozialplan nicht alle wirtschaftlichen Nachteile ausgleichen muss. Der Begriff der wirtschaftlichen Nachteile ist aber weit zu verstehen – dazu gehört z. B. auch eine längere Anfahrt zur Arbeit.
Rz. 27
Hinsichtlich des Zwecks des Sozialplans besteht in der Literatur Streit, ob der Sozialplan zukunftsgerichtet Verschlechterungen der wirtschaftlichen Lage der Arbeitnehmer überbrücken oder ob er vergangenheitsbezogen den Verlust der bisherigen Position ausgleichen soll. Das BAG betont in den neueren Entscheidungen die Überbrückungsfunktion. Zumindest hinsichtlich des zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbarten Sozialplans hat dieser Streit aber keine große Relevanz, da den Betriebsparteien ein großer Gestaltungsspielraum über Art und Umfang der Sozialplanleistungen zusteht. Allerdings ermöglicht dieses Verständnis, bei Arbeitnehmern, die rentennah sind, geringere Abfindungen vorzusehen.
3.1.2 Erscheingungsformen des Sozialplans, Rahmensozialplan
Rz. 28
Sozialpläne sind in der Praxis in verschiedenen Zusammenhängen anzutreffen. Das Gesetz sieht in § 112 BetrVG den (mitbestimmungspflichtigen und damit erzwingbaren) Sozialplan anlässlich einer konkreten Betriebsänderung vor. Dabei kann dieser Sozialplan zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat einvernehmlich zustande kommen oder nach § 112 Abs. 4 BetrVG durch Spruch der Einigungsstelle erzwungen werden, indem nach § 76 Abs. 5 BetrVG Arbeitgeber oder Betriebsrat einseitig die Einigungsstelle "anrufen" - also deren Bildung verlangen – können. Diese Unterscheidung ist wichtig, weil die Betriebspartner bei der Aufstellung wesentlich freier sind als die Einigungsstelle, die sich zusätzlich an die engen Vorgaben des § 112 Abs. 5 BetrVG halten muss.
Bei einem Sozialplan, der durch denen Spruch einer Einigungsstelle erzwungen wird, ist die Regelungsmöglichkeit, insbesondere die Möglichkeit, pauschalierend Abfindungen vorzusehen, stark eingeschränkt. Daher ist es regelmäßig sinnvoll, dass Arbeitgeber und Betriebsrat es bereits aus diesem Grunde nicht auf einen Spruch der Einigungsstelle ankommen lassen.
Nicht selten werden sogenannte Rahmensozialpläne oder vorsorgliche Sozialpläne abgeschlossen, die die Rahmenbedingungen für (etwaige) künftige Betriebsänderungen ausgestalten. Teilweise werden diese sogar unternehmensweit durch den Gesamtbetriebsrat vereinbart. Ob dies sinnvoll ist, hängt von vielen Gegebenheiten des Einzelfalls ab. Wenn die konkrete Betriebsänderung nur rahmenmäßig, aber noch nicht konkret feststeht, der Arbeitgeber aber schon deutlich machen will, dass er die wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer (großzügig) ausgleichen will, kann der Abschluss eines vorsorglichen Sozialplans vorteilhaft sein. Der Arbeitgeber sollte sich jedoch bewusst sein, dass solche Vorratsregelungen weder Interessenausgleiche über konkrete Maßnahmen in der Zukunft obsolet machen noch das erzwingbare Mitbestimmungsrecht über künftige Sozialpläne für konkrete Betriebsänderungen vorwegnehmen (BAG, Urteil v. 29.11.1983, 1 AZR 523/82). Er läuft also Gefahr, in künftigen Sozialplänen über den Rahmensozialplan hinaus zu Leistungen verpflichtet zu werden. Hat der Gesamtbetriebsrat mit dem Arbeitgeber einen solchen Rahmensozialplan oder vorsorglichen Sozialplan vereinbart, stellt sich die Frage, welchen Rechtscharakter dieser hat und ob die Arbeitnehmer aus ihm Ansprüche ableiten können. Dazu hat das BAG klarstellend entschieden, dass ein mit dem Gesamtbetriebsrat vereinbarter vorsorglicher Sozialplan nicht die betriebsverfassungsrechtlichen Handlungsmöglichkeiten der örtlichen Betriebsräte beschränkt und diesen nicht die Befugnis nimmt, anlässlich einer konkreten Betriebsänderung mit dem Arbeitgeber ggf. auch in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung Sozialplanregelungen zu treffen. Ein zwischen dem Arbeitgeber und dem Gesamtbetriebsrat vereinbarter vorsorglicher Sozialplan, der für eine Vielzahl künftig möglicher, noch nicht geplanter Betriebsänderungen den Ausgleich oder die Milderung wirtschaftlicher Nachteile vorsieht, begründet normative Ansprüche zugunsten von Arbeitnehmern typischerweise nur für den Fall, dass aus Anlass einer konkreten Betriebsänderung auf betrieblicher Ebene der Abschluss eines Sozialplans...