Rz. 4
Nach § 17 Abs. 3 BetrVG können (mindestens) 3 wahlberechtigte Arbeitnehmer des Betriebs oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft zu einer Betriebsversammlung zur Wahl des Wahlvorstands einladen. Nach der Klarstellung in § 14 Abs. 2 Satz 4 AÜG, dass im Betrieb eingesetzte Zeitarbeitnehmer bei betriebsverfassungsrechtlichen Schwellenwerten mitzählen, erhebt sich die Frage, ob die Zahl "3" auch ein solcher Schwellenwert ist – m.a.W., ob im Extremfall auch 3 Zeitarbeitnehmer alleine zu einer Wahlversammlung einleiten und sich dann selbst als Wahlvorstand einsetzen können. Auf den ersten Blick scheint das der Fall zu sein. § 14 Abs. 2 Satz 4 AÜG will aber lediglich anordnen, dass die Zeitarbeitnehmer bei Schwellenwerten mitzählen. Aktive Rechte sollen ihnen wohl nicht zukommen. Daher wird § 14 Abs. 2 Satz 4 AÜG einschränkend dahin auszulegen sein, dass Zeitarbeitnehmer überall dort nicht automatisch einbezogen werden, wo die festgelegte Zahl das reine Zählen hinaus weitergehende Rechte mit sich bringt; das Gesetz bringt das zum Ausdruck, indem es anordnet, die Leiharbeitnehmer seien (nur) zu berücksichtigen. Das ist hier der Fall.
Vorschriften für die Einladung bestehen grundsätzlich nicht. Damit kann jede Form gewählt werden. Allerdings ist nach allgemeiner Ansicht so rechtzeitig einzuladen, dass alle wahlberechtigten Arbeitnehmer rechtzeitig über den Termin der Betriebsversammlung und ihren Gegenstand informiert werden und an der Betriebsversammlung teilnehmen können. Eine Betriebsversammlung, die unter Missachtung dieser Vorgabe durchgeführt wird, kann nicht wirksam einen Wahlvorstand wählen, dessen Wahl ist vielmehr nichtig. Allerdings lässt die Rechtsprechung "nur" fehlerhafte Prognosen über die Rechtzeitigkeit nicht für die Nichtigkeit genügen. Ein Aushang genügt in der Regel für die Bekanntmachung, es sei denn, nicht alle Arbeitnehmer sind in der fraglichen Zeit im Betrieb und haben Gelegenheit, den Aushang rechtzeitig zur Kenntnis zu nehmen. Zumindest in den Zeiten eingeschränkten Betriebs insbesondere während der Corona-Pandemie ließen einzelne Arbeitsgerichte auch die Bekanntmachung in sozialen Medien unter ergänzender Mund-zu-Mund-Propaganda genügen.
Bei Einladung durch eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Einladungsschreiben der Gewerkschaft an die Arbeitnehmer zu übersenden. Die Gewerkschaft hat aber keinen Anspruch gegen den Arbeitgeber, die vollständige Anschriftenliste der Beschäftigten zu bekommen. Dies wäre ein Verstoß gegen § 28 Abs. 2 Nr. 1a BDSG. Die Gewerkschaft hat das Recht, durch einen Repräsentanten an der Betriebsversammlung teilzunehmen, zu der sie eingeladen hat. Das Teilnahmerecht steht der Gewerkschaft als solcher zu. Hat ein bestimmter Gewerkschaftsvertreter zuvor Gründe gesetzt, die es für den Arbeitgeber unzumutbar werden lassen, gerade dieser Person Zutritt zu gewähren, so ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, diese Person zu dulden. Die Gewerkschaft hat einen anderen Vertreter zu entsenden. Das gilt beispielsweise, wenn der abgelehnte Gewerkschaftsvertreter den Arbeitgeber zuvor öffentlich verunglimpft hat.
Gehören zum Betrieb regelmäßig auswärts beschäftigte Arbeitnehmer, so ist der Arbeitgeber verpflichtet, ihnen allen eine Einladung zu der Betriebsversammlung zukommen zu lassen. Wurde die Einladung zu der Betriebsversammlung nicht so bekannt gemacht, dass alle Arbeitnehmer des Betriebes hiervon Kenntnis nehmen konnten oder davon auf andere Weise tatsächlich erfahren haben, kann die Wahl des Wahlvorstands nichtig sein. Voraussetzung ist, dass durch das Fernbleiben der nicht unterrichteten Arbeitnehmer das Wahlergebnis beeinflusst werden konnte.
Rz. 5
Auf die Betriebsversammlung und ihre Durchführung finden grundsätzlich die allgemeinen Vorschriften über die Betriebsversammlung in §§ 42 ff. BetrVG Anwendung. Teilnahmeberechtigt und damit einzuladen sind alle Arbeitnehmer des Betriebs, nicht nur die wahlberechtigten. Die Betriebsversammlung hat grundsätzlich im Betrieb stattzufinden. Wird sie ohne triftigen Grund außerhalb durchgeführt, so wird die Betriebsratswahl dadurch anfechtbar. Die Betriebsversammlung ist auch in Zeiten vermehrter Videokonferenzen zwingend als Präsenzveranstaltung durchzuführen. Das BetrVG sieht die virtuelle Versammlung in einer Videokonferenz nicht vor. Dennoch auf diesem Wege durchgeführte Wahlen sind nichtig.
Die §§ 42 ff. BetrVG sind allerdings naturgemäß insoweit nicht anwendbar, wie bereits die Existenz des Betriebsrats vorausgesetzt wird. Das betrifft vor allem die Versammlungsleitung. Die Betriebsversammlung wird zunächst von den einladenden Arbeitnehmern oder von den Vertretern der einladenden Gewerkschaft geleitet. Als erster Akt wird ein Versammlungsleiter gewählt.