Rz. 8
Die Wahlanfechtung findet auf Antrag beim Arbeitsgericht im Beschlussverfahren statt (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG und § 2 Abs. 2 ArbGG, §§ 80 ff. ArbGG). Ausschließlich zuständig ist das Arbeitsgericht am Sitz des Betriebs (§ 82 ArbGG).
In gravierenden Ausnahmefällen ist auch der Abbruch der Betriebsratswahl im Wege der einstweiligen Verfügung denkbar. Grundsätzlich kommen allerdings nur berichtigende Eingriffe in Betracht. Das BAG, das nicht mit einstweiligen Verfügungen befasst werden kann, hält eine einstweilige Verfügung nur dann für zulässig, wenn die Betriebsratswahl voraussichtlich nichtig sein würde (BAG, Beschluss v. 27.7.2011, 7 ABR 61/10). Die Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte war zuvor nicht einheitlich. Einen Abbruch hielt die Rechtsprechung jedenfalls dann (noch) nicht für möglich, wenn bei Durchführung der Wahl lediglich mögliche Anfechtungsgründe nicht ausgeschlossen werden können und bei Abbruch eine betriebsratslose Zeit entstehen würde (LAG Nürnberg, Beschluss v. 13.3.2002, 2 TaBV 13/02). Ob darüber hinaus ein Wahlabbruch per einstweiliger Verfügung zulässig ist, wenn "nur" eine Anfechtbarkeit der Wahl im Raume steht – keine Nichtigkeit –, war unter den Landesarbeitsgerichten umstritten. Von einem Teil der Obergerichte wurde ein Abbruch per einstweiliger Verfügung für zulässig gehalten, wenn die Wahl nichtig wäre oder zumindest eine mit Sicherheit erfolgreiche Wahlanfechtung wegen feststehender Wahlfehler festgestellt werden kann (Hessisches LAG, Beschluss v. 23.5.2006, 9 TaBVGA 81/06; LAG Nürnberg, Beschluss v. 30.3.2006, 6 TaBV 19/06; LAG Berlin, Beschluss v. 7.2.2006, 4 TaBV214/06; Hessisches LAG, Beschluss v. 24.6.2004, 9 TaBVGa 83/04; LAG Düsseldorf, Beschluss v. 25.6.2003, 12 TaBV 34/03). Teilweise wurde die Wahl aber nur bei drohender Nichtigkeit abgebrochen (LAG Baden-Württemberg, Beschluss v. 25.4.2006, 21 TaBV 4/06; LAG Baden-Württemberg, Beschluss v. 11.3.2002, 20 TaBV 1/02). Wie sich die Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte im Lichte der BAG-Entscheidung entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Da das BAG allerdings auch das Bestehen eines materiellrechtlichen Unterlassungsanspruchs auf die Fälle der drohenden Nichtigkeit der Wahl beschränkt hat, ist abzusehen, dass ein großer Teil der Landesarbeitsgerichte der Ansicht des BAG folgen wird. Einzelne Landesarbeitsgerichte legen noch strengere Maßstäbe an: Sie verlangen zusätzlich, dass die Nichtigkeit einer Wahl höchstrichterlich geklärt ist, andernfalls komme eine einstweilige Verfügung nicht in Betracht (LAG Düsseldorf, Beschluss v. 25.3.2020, 7 TaBVGa 2/20, bezugnehmend auf LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 17.3.2010, 15 TaBVGa 34/10).
Die Wahl ist erst mit Aushang des Wahlausschreibens eingeleitet, § 3 Abs. 1 Satz 2 WO BetrVG; daher ist ein Abbruch der Wahl mittels einstweiliger Verfügung begrifflich erst nach Aushang eines Wahlausschreibens möglich (LAG Nürnberg, Beschluss v. 17.5.2013, 5 TaBVGa 2/13).
Einem fehlerhaft bestellten Wahlvorstand kann der Arbeitgeber nach Ansicht des BAG auch nicht die weitere Durchführung der Betriebsratswahl untersagen. Das BAG beschränkt dieses Recht auf einen Wahlvorstand, der in dieser Funktion entweder überhaupt nicht bestellt wurde, oder dessen Bestellung nichtig ist (BAG, Beschluss v. 15.10.2014, 7 ABR 53/12; BAG, Beschluss v. 27.7.2011, 7 ABR 61/10). Das ist nach Ansicht des BAG nur dann der Fall, wenn gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Errichtung in so hohem Maße verstoßen wurde, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Bestellung des Wahlvorstands nicht mehr besteht. Es müsse sich um einen offensichtlichen und besonders groben Verstoß gegen die Bestellungsvorschriften der bis §§ 16 und 17a BetrVG handeln (BAG, Beschluss v. 15.10.2014, 7 ABR 53/12).
Offen ist danach noch, ob verfahrensleitende einstweilige Verfügungen zulässig bleiben, die die Betriebsratswahl nicht abbrechen, sondern dem Wahlvorstand nur eine bestimmte Verfahrensweise vorgeben. Weder der Belegschaft noch dem Arbeitgeber ist zuzumuten, sehenden Auges Fehler einer Betriebsratswahl zu dulden, wenn diese die Anfechtbarkeit begründen. Zwar mögen die Interessen der Belegschaft an einer schnellen Wahl eines Betriebsrates überwiegen, wenn die Wahl abgebrochen werden müsste. Dies dürfte aber dann nicht der Fall sein, wenn die eingeleitete Wahl oder deren Vorbereitung korrigiert werden kann, ohne dass sie vollständig abgebrochen werden muss.
Rz. 9
Wird die Wahl erfolgreich angefochten, so erklärt das Arbeitsgericht entweder die gesamte Wahl oder aber nur die Feststellung des Wahlergebnisses für ungültig. Wird die Ungültigkeit der Wahl festgestellt, so müssen Neuwahlen stattfinden. Wurde vom Wahlvorstand lediglich das Wahlergebnis unrichtig festgestellt und kann der Verstoß durch eine Korrektur des Wahlergebnisses behoben werden, stellt das Arbeitsgericht das richtige Wahlergebnis fest, ohne dass Neuwahlen stattfinden müssen. In beiden Fällen entfaltet der (rechtskräftige) Beschluss des Arbeits...