4.1 Beauftragung
Rz. 54
Nach § 50 Abs. 2 BetrVG kann der Betriebsrat in Angelegenheiten, bei denen es an der originären Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats fehlt, gleichwohl aber die Behandlung durch diesen als zweckmäßig angesehen wird, den Gesamtbetriebsrat beauftragen, eine Angelegenheit für ihn zu behandeln. Dabei bleibt der Betriebsrat Träger des Mitbestimmungsrechts, der Gesamtbetriebsrat nimmt es gegenüber dem Arbeitgeber wahr. Zur Beauftragung des Gesamtbetriebsrats ist ein Beschluss mit der Mehrheit der Stimmen der Betriebsratsmitglieder (absolute Mehrheit), nicht nur der in der jeweiligen Sitzung anwesenden Betriebsratsmitglieder, erforderlich.
Die Delegationsentscheidung kann weder dem Betriebsausschuss noch einem sonstigen Ausschuss oder einer Arbeitsgruppe i. S. d. § 28a BetrVG überlassen werden.
Rz. 55
Gemäß § 50 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 27 Abs. 2 Satz 3 BetrVG bedarf die Beauftragung des Gesamtbetriebsrats der Schriftform (§ 126 BGB). Der Beschluss muss vom Vorsitzenden des Betriebsrats eigenhändig unterzeichnet sein, die Aufnahme in das Sitzungsprotokoll genügt dagegen nicht. Er kann nicht stillschweigend erteilt werden, daher reicht zur Annahme eines Auftrags nicht aus, dass der Einzelbetriebsrat die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats in der Vergangenheit nicht beanstandet hat (BAG, Urteil v. 26.1.1993, 1 AZR 303/92). Die schriftliche Form kann aber durch die elektronische Form ersetzt werden (§§ 126 Abs. 3, 126a BGB). Bei Nichteinhaltung der Schriftform ist der Beschluss nichtig (§ 125 Satz 1 BGB). Fehlt es an einem Delegationsbeschluss, kann die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats nicht aus Rechtsscheingrundsätzen hergeleitet werden (LAG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 9.6.2015, 1 TaBV 4b/15).
Rz. 56
Der Betriebsratsvorsitzende hat dem Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrats die Beauftragung mitzuteilen. Erst mit Zugang der schriftlichen Mitteilung beim Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrats wird die Beauftragung wirksam. Die Unterrichtung des Arbeitgebers ist für die Wirksamkeit der Übertragung zwar nicht erforderlich, sie entspricht aber dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit.
Rz. 57
Die Beauftragung kann nur für eine konkrete Angelegenheit erfolgen. Eine generelle Beauftragung für einen ganzen Sachbereich ist nicht zulässig, sie käme einer vom Gesetz nicht vorgesehenen "teilweisen Selbstabdankung" des Einzelbetriebsrats gleich (BAG, Beschluss v. 21.7.2004, 7 ABR 58/03; BAG, Urteil v. 26.1.1993, 1 AZR 303/92). Von der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats kraft Beauftragung ist auch die Anrufung der Einigungsstelle umfasst (LAG Düsseldorf, Beschluss v. 3.7.2002, 12 TaBV 22/02).
Rz. 58
Der Gesamtbetriebsrat kann seine Beauftragung nur dann ablehnen, wenn dies sachlich gerechtfertigt ist, z. B. bei offensichtlicher Unwirksamkeit des Betriebsratsbeschlusses oder offensichtlich fehlendem Mitbestimmungsrecht des übertragenden Betriebsrats.
4.2 Widerruf der Beauftragung
Rz. 59
Die Beauftragung kann – ebenfalls mit qualifizierter Mehrheit und schriftlich – widerrufen werden. Nach herrschender Auffassung ist für den Widerruf kein sachlicher Grund erforderlich, er bedarf auch keiner Begründung. Der Widerruf der Beauftragung kann aber unbeachtlich sein, wenn er rechtsmissbräuchlich erfolgt, etwa ausschließlich um die Angelegenheit zu verzögern. Eine unwiderrufliche Beauftragung des Gesamtbetriebsrats in einer konkreten Angelegenheit ist möglich, weil sowohl der Gesamtbetriebsrat als auch der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran haben, dass Klarheit hinsichtlich des Verhandlungsmandats besteht. Der Widerruf aus wichtigem Grund ist allerdings stets möglich.
4.3 Wirkung der Übertragung
Rz. 60
Der Betriebsrat bleibt Träger des Mitbestimmungsrechts, der Gesamtbetriebsrat nimmt es gegenüber dem Arbeitgeber wahr. Mit der Übertragung auch der materiellen Entscheidungsbefugnis ist der Gesamtbetriebsrat in vollem Umfang ermächtigt, ihm steht auch das Abschlussmandat zu. Die Betriebsräte können ihm keine verbindlichen Richtlinien vorgeben. Eine Bündelung der Interessen wäre bei sich widersprechenden Rich...