3.2.1 Allgemeines
Rz. 9
Gem. § 62 Abs. 3 muss das bei den Jugendlichen und Auszubildenden in der Minderheit befindliche Geschlecht seinem zahlenmäßigen Verhältnis entsprechend in der JAV repräsentiert sein. Diese Regelung, die durch das BetrVerf-ReformG 2001 vom 23.7.2001 eingeführt worden ist, entspricht der Regelung in § 15 Abs. 2 BetrVG und ist im Gegensatz zu der bis dahin geltenden Regelung eine Muss-Vorschrift. Mit dieser Umwandlung der Sollvorschrift in eine zwingende Regelung wollte der Gesetzgeber dem Gleichberechtigungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 2 GG Rechnung tragen. Es soll gewährleistet sein, dass das Minderheitsgeschlecht geschlechtsspezifische Themen und Problemstellungen in die Arbeit der JAV einbringen kann. Das sog. "dritte Geschlecht" ist nach h. M. nicht Minderheitengeschlecht i. S. v. Abs. 3. Der Gesetzgeber hat es anlässlich der Reform des BetrVG durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz und die damit einhergehende Anpassung der Wahlordnung unterlassen, zum dritten Geschlecht Regelungen zu treffen.
Hinsichtlich der Verteilung der Sitze in der JAV nach Geschlechtern enthält die Wahlordnung nähere Regelungen. Gleiches gilt für die Ausgestaltung der Wahl, die in §§ 38 ff. WO geregelt ist. In der Praxis führen die genannten Vorschriften zu einer Verkomplizierung des Wahlverfahrens.
Rz. 10
Für § 15 Abs. 2 BetrVG, der eine dem § 62 Abs. 3 BetrVG identische Regelung für den Betriebsrat enthält, hat das BAG ausdrücklich klargestellt, dass die Regelung zur Geschlechterquote verfassungskonform ist. Nach Ansicht des BAG verstößt die Regelung weder gegen den nach Art. 3 Abs. 1 GG bestehenden Grundsatz der Gleichheit der Wahl, noch wird dadurch in unzulässiger Weise in die durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete Tarifautonomie eingegriffen.
3.2.2 Voraussetzung
Rz. 11
Voraussetzung für die Anwendung des § 62 Abs. 3 ist, dass es unter den in § 60 Abs. 1 genannten Arbeitnehmern eines Betriebs ein Geschlecht gibt, das in der Minderheit ist. Ist die Zahl der jugendlichen und zu ihrer Berufsausbildung beschäftigten Männer und Frauen gleich, ist der Minderheitenschutz nicht einschlägig. Maßgeblich ist die Zahl der tatsächlich beschäftigten männlichen und weiblichen Arbeitnehmer i. S. d. § 60 Abs. 1, wobei es bei der Ermittlung auf den Tag des Erlasses des Wahlausschreibens ankommt (vgl. § 38 i. V. m. § 5 Abs. 1 Satz 3 WO). Unerheblich für die Ermittlung ist, ob Beschäftigte im Sinne des § 60 Abs. 1 Vollzeit oder Teilzeit beschäftigt werden; sie sind gleichwertig zu berücksichtigen.
Rz. 12
Gem. § 62 Abs. 3 ist das Minderheitengeschlecht nur dann entsprechend seinem zahlenmäßigen Verhältnis in der JAV zu berücksichtigen, wenn diese aus mindestens 3 Mitgliedern besteht. Ist die JAV kleiner, greift der Minderheitenschutz nicht ein.
3.2.3 Verfahren
3.2.3.1 Allgemeines
Rz. 13
Der Minderheitenschutz greift nach der gesetzlichen Regelung erst bei der Verteilung der Sitze, mithin bei der Wahl, nicht bereits bei der Aufstellung der Vorschlagslisten und der Wahlvorschläge ein. Es ist damit nach wie vor zulässig, reine Frauen- ebenso wie reine Männerlisten oder gemischte Listen einzureichen. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass Vorschlagslisten, die ausschließlich das Mehrheitsgeschlecht enthalten, bei der Verteilung der Sitze unter Berücksichtigung des gesetzlichen Minderheitenschutzes Nachteile erleiden (s. dazu unten).
Rz. 14
Die Wahlordnung sieht ein 2-stufiges Verfahren vor: Zunächst ist die Zahl der Mindestsitze des Minderheitengeschlechts gem. § 38 i. V. m. § 5 WOBetrVG 2001 zu ermitteln, in der zweiten Stufe wird das Minderheitengeschlecht bei der Verteilung der Sitze bevorrechtigt behandelt (vgl. § 39 Abs. 2, 3 i. V. m. § 15 Abs. 5, 22 WOBetrVG 2001), wobei es für das Verfahren im Einzelnen darauf ankommt, ob eine oder mehrere gültige Vorschlagslisten eingereicht worden sind (s. u.).
3.2.3.2 Feststellung der Mindestsitze
Rz. 15
Nach § 38 i. V. m. § 5 WOBetrVG 2001 hat der Wahlvorstand zunächst vor der Wahl festzustellen, welches Geschlecht im Betrieb in der Minderheit ist und sodann die Mindestsitze in der JAV für dieses Minderheitengeschlecht nach den Grundsätzen der Verhältniswahl zu ermitteln. Der Wahlvorstand muss also zunächst auf der Basis der am Tag des Erlasses des Wahlausschreibens im Betrieb beschäftigten männlichen und ...