5.1 Vorbemerkung
Rz. 89
Nach § 75 Abs. 2 Satz 2 BetrVG sind Arbeitgeber und Betriebsrat verpflichtet, die Selbstständigkeit und Eigeninitiative von Arbeitnehmern und Arbeitsgruppen zu fördern. Diese Regelung, die durch das BetrVerf-ReformG 2001 neu ins Gesetz aufgenommen wurde, ergänzt die Regelung in Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Die dort enthaltene Förderpflicht wurde dadurch auch auf Arbeitsgruppen ausgedehnt. Darüber hinaus wurden die Kriterien der Selbstständigkeit und Eigeninitiative neu eingeführt.
5.2 Adressaten
Rz. 90
Die Regelung richtet sich an Arbeitgeber und Betriebsrat. Der Arbeitgeber hat das Gebot der Förderung der Selbstständigkeit und Eigeninitiative insbesondere bei der Ausgestaltung der Arbeitsverträge, der Ausübung seines Direktionsrechts sowie bei Fragen der betrieblichen Organisation zu beachten. Der Betriebsrat hat dieses Gebot bei der Wahrnehmung seiner Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte zu beachten. Darüber hinaus hat er zu prüfen, ob nicht betriebsverfassungsrechtliche Aufgaben auf eine Arbeitsgruppe gemäß § 28a BetrVG übertragen werden können.
5.3 Schutzumfang
Rz. 91
Weder der einzelne Arbeitgeber noch eine Arbeitsgruppe oder deren Mitglieder haben einen einklagbaren Rechtsanspruch auf Förderung ihrer Selbstständigkeit und Eigeninitiative.
5.4 Inhalt
Rz. 92
Die Förderpflicht nach Abs. 2 Satz 2 BetrVG besteht zum einen in Bezug auf den einzelnen Arbeitnehmer. Ihm soll es, soweit dies mit der Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten und seinem Zusammenleben mit anderen Arbeitnehmern vereinbar ist, ermöglicht werden, kreativ, selbstgestaltend und eigenverantwortlich seine Arbeit zu erbringen.
Rz. 93
Sie gilt darüber hinaus im Hinblick auf Arbeitsgruppen. Dieser Begriff ist weit zu verstehen. Als Arbeitsgruppe ist jede organisatorische Zusammenfassung von Arbeitnehmern des Betriebs anzusehen, die zu mehr Eigenständigkeit und Selbstverantwortung im Arbeitsprozess und bei der Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Rechte führt. Im Rahmen von Industrie 4.0 wird gerade diesen Arbeitsgruppen eine gesteigerte Bedeutung zukommen. Der mit der Industrie 4.0 verbundene Wandel hat erhebliche Auswirkungen auf die Arbeitsorganisation, die Arbeitsabläufe, die Arbeitsumgebung, die Arbeitsplätze und die Arbeitsinhalte. Sie bietet hervorragende Möglichkeiten, auch neue Gruppenformen wie z. B. agile Gruppen zu etablieren und auf ihre Eigeninitiative und ihr eigenverantwortliches Handeln hinzuwirken.