Rz. 13
Das gerichtliche Bestellungsverfahren ist in § 100 BetrVG geregelt. Bezüglich des unparteiischen Vorsitzenden ist eine Einigung zwischen den Betriebsparteien zu erzielen. Gelingt dies nicht, wird das Arbeitsgericht tätig. Erforderlich ist unbedingt ein Antrag einer der Betriebspartner. Dabei muss der Streitgegenstand erläutert werden. Der Antrag muss dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 ZPO entsprechen. So wurde ein Antrag hinsichtlich der Einigungsstelle zur "Aufstellung einer Betriebsvereinbarung über "mobiles Arbeiten", insbesondere mit den Aspekten "Arbeitsschutz" und "Arbeitszeit" als nicht hinreichend bestimmt angesehen, wohl jedoch der Hilfsantrag "Betriebsvereinbarung, die die Bedingungen des mobilen Arbeitens unter den Aspekten des Arbeitsschutzes, der Arbeitszeitfestlegung, des Einsatzes von Überwachungstechnik, der betrieblichen Berufsbildung und der Aufstellung von Beurteilungsbedingungen regeln soll, soweit keine anderen geltenden, nicht gekündigten und nicht auslaufenden betrieblichen Vereinbarungen hierzu existieren"".
Ferner ist zum Nachweis des Rechtsschutzbedürfnisses darzulegen, dass wenigstens der Versuch einer Einigung unternommen worden ist, der Antragsteller demnach geltend macht, dass entweder die Gegenseite Verhandlungen über das Regelungsverlangen ausdrücklich oder konkludent verweigert hat oder mit Verständigungswillen geführte Verhandlungen gescheitert sind. Das Rechtsschutzbedürfnis setzt nicht voraus, dass die Betriebspartner zuvor bereits mit dem ernsten Willen zur Einigung verhandelt haben. Die Beachtung von § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist keine Voraussetzung für die Anrufung der Einigungsstelle. Vielmehr ist dem Beschleunigungszweck von § 100 ArbGG Rechnung zu tragen, nach dem möglichst schnell eine formal funktionsfähige Einigungsstelle zur Verfügung stehen soll, um weitere Verzögerungen der Verhandlungen in der Sache zu vermeiden. Für Sozialplanverhandlungen wird aber vertreten, dass von einem Scheitern des Einigungsversuchs erst gesprochen werden kann, wenn zuvor mit dem ernsthaften Willen zur Einigung verhandelt worden war. Vertreten die Betriebsparteien vor oder im Einigungsstellenbestellungsverfahren miteinander unvereinbare Standpunkte und sind sie nicht bereit, von diesen abzurücken, bedarf es keiner weiteren innerbetrieblichen Verhandlungen. Dies gilt auch dann, wenn die konträren Standpunkte nicht die Sache, sondern die weitere Verfahrensweise betreffen. Das LAG München lässt die subjektive Einschätzung jedes Betriebspartners gelten, die nicht offensichtlich unbegründet sein darf.
Eine Schriftform für die Feststellung des Scheiterns besteht jedoch nicht. Eine Aussetzung des Einigungsstellenbestellungsverfahrens aufgrund eines dieselbe Materie betreffenden anderweitigen Beschlussverfahrens zwischen den Betriebsparteien kommt grundsätzlich nicht in Betracht.
Rz. 14
Das Gericht prüft nicht die Zuständigkeit der Einigungsstelle im Detail, sondern darf den Antrag nur dann ablehnen, wenn die Einigungsstelle "offensichtlich unzuständig"ist. Der gerichtliche Prüfungsmaßstab ist also sehr grob. Eine offensichtliche Unzuständigkeit liegt nur dann vor, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in der fraglichen Angelegenheit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt infrage kommt, sich die beizulegende Streitigkeit also erkennbar nicht unter einem mitbestimmungspflichtigen Tatbestand subsumieren lässt. Auch steht § 85 Abs. 2 Satz 3 BetrVG einem Einigungsstellenverfahren nicht entgegen, wenn zweifelhaft ist, ob der Gegenstand der Beschwerde ein Rechtsanspruch des Arbeitnehmers ist. Bloße "Schwierigkeiten" bei der Beurteilung einer Sach- und Rechtslage rechtfertigen für sich genommen nicht die Annahme, die Einigungsstelle sei nicht "offensichtlich unzuständig". Fehlt in einer für die Zuständigkeit der Einigungsstelle relevanten Rechtsfrage höchstrichterliche Rechtsprechung und wird die Frage in der Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte uneinheitlich beantwortet, besteht regelmäßig kein Raum für die Annahme einer offensichtlichen Unzuständigkeit.
Beispiele aus der Rechtsprechung:
- Trifft der Arbeitgeber vor dem Hintergrund einer Pandemie (hier: Corona-Pandemie) Maßnahmen im Rahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zur Kontrolle des Zugangs betriebsfremder Personen zum Betriebsgelände, besteht Raum für eine entsprechende betriebliche Regelung, soweit gesetzliche Vorgaben, ob und insbesondere wie Zugangskontrollen und deren Dokumentation umzusetzen sind, nicht existieren. Insoweit steht dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht zu. Die Einigungsstelle ist hier nicht offensichtlich unzuständig.
- Wenn auch nur ein Teil der Regelungen eines Hygieneplans mitbestimmungspflichtig ist, kann die Zuständigkeit der Einigungsstelle nicht verneint werden.
- Einer Einigungsstelle darf im Rahmen der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG nicht gleichzeit...