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Die Überwachungspflicht macht den Betriebsrat nicht zu einem dem Arbeitgeber übergeordneten Kontrollorgan. Sie dient lediglich der Rechtskontrolle (BAG, Beschluss v. 16.11.2005, 7 ABR 12/05). Dabei ist der Betriebsrat aber auf die Macht seiner Argumente angewiesen. Die allgemeine Überwachungspflicht gibt dem Betriebsrat keinen eigenen Anspruch, die zutreffende Anwendung einer zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Rechtsnorm gegen den Arbeitgeber gerichtlich durchzusetzen (BAG, Beschluss v. 10.6.1986, 1 ABR 59/84).
Der Betriebsrat kann nicht gerichtlich feststellen lassen, welche einzelvertraglichen Ansprüche der Arbeitnehmer etwa nach einem Tarifvertrag hat oder Individualansprüche einzelner Arbeitnehmer gerichtlich geltend machen (BAG, Beschluss v. 27.10.1998, 1 ABR 3/98). Er kann deshalb auch weder die Verurteilung des Arbeitgebers, z. B. zur Zahlung der richtigen tariflichen Vergütung an einen bestimmten Arbeitnehmer erreichen, noch in einem Beschlussverfahren feststellen lassen, dass eine bestimmte Maßnahme des Arbeitgebers gegen einen Tarifvertrag verstößt (LAG Hamm, Beschluss v. 4.5.2005, 10 TaBV 54/05).
Stellt der Betriebsrat fest, dass der Arbeitgeber bestimmte, in den Überwachungsbereich des Betriebsrats fallende Normen nicht einhält oder verletzt, kann er die gegenüber dem Arbeitgeber beanstanden. Außerdem hat er die Möglichkeit, die für die staatliche Überwachung zuständigen Stellen (z. B. die Arbeitsschutzbehörden/Gewerbeaufsicht) einzuschalten. Schließlich kann er den einzelnen Arbeitnehmer darauf hinweisen, dass der Arbeitgeber nach Auffassung des Betriebsrats ein dem Arbeitnehmer zustehendes Recht nicht gewährt oder verletzt.
Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber aber die Durchführung einer Betriebsvereinbarung verlangen, wenn er selbst Partei der Betriebsvereinbarung ist, diese also mit dem Arbeitgeber abgeschlossen hat oder ihm durch die Betriebsvereinbarung eigene betriebsverfassungsrechtliche Rechte eingeräumt werden (BAG, Beschluss v. 18.5.2010, 1 ABR 6/09). Schließt beispielsweise der Gesamt- oder Konzernbetriebsrat in originärer Zuständigkeit (§ 50 Abs. 1, § 58 Abs. 1 BetrVG) mit dem Arbeitgeber Gesamt- oder Konzernbetriebsvereinbarungen, hat der nicht beteiligte örtliche Betriebsrat aus eigenem Recht grundsätzlich keinen Anspruch auf Durchführung dieser Gesamt- oder Konzernbetriebsvereinbarung. Etwas anderes gilt, wenn die Betriebsvereinbarung einem nicht an deren Abschluss beteiligten Betriebsrat ausdrücklich eigene Rechte einräumt. Insoweit kann auch der durch eine Betriebsvereinbarung begünstigte Betriebsrat die Durchführung der entsprechenden Regelungen verlangen. Entsprechendes gilt bei einer Delegation der Regelungsbefugnis. Im Falle der Beauftragung des Gesamtbetriebsrats (§ 50 Abs. 2 BetrVG) wird dieser rechtlich als Vertreter der beauftragenden Einzelbetriebsräte tätig und schließt für diese Einzelbetriebsvereinbarungen (BAG, Beschluss v. 18.5.2010, 1 ABR 6/09). Gleiches gilt bei Beauftragung des Konzernbetriebsrats (§ 58 Abs. 2 BetrVG bzw. § 50 Abs. 2 BetrVG i. V. m. § 54 Abs. 2 BetrVG).
Da weder das BetrVG noch das ArbGG ein inhaltliches Normenkontrollrecht der auf den unterschiedlichen Ebenen im Unternehmen und Konzern errichteten Arbeitnehmervertretungen vorsehen, kann ein Betriebsrat die gerichtliche Überprüfung einer nicht selbst abgeschlossenen Betriebsvereinbarung nur in Hinblick auf eine Verletzung seiner eigenen Regelungsbefugnis erfolgen; anderenfalls fehlt die Antragsbefugnis (BAG, Beschluss v. 5.3.2013, 1 ABR 75/11).
Werden konzernweit Grundsätze der Unternehmensethik eingeführt, die gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig sind und hat die Muttergesellschaft dieses Mitbestimmungsrecht nicht beachtet, beschränkt sich das Überwachungsrecht des Betriebsrats aus § 80 Abs. 1 BetrVG darauf, den mitbestimmungswidrigen Zustand beim Arbeitgeber zu beanstanden und auf Abhilfe zu drängen (BAG, Beschluss v. 17.5.2011, 1 ABR 121/09; BAG, Beschluss v. 18.5.2010, 1 ABR 6/09). Ein Unterlassungsanspruch folgt hieraus nicht (BAG, Beschluss v. 28.5.2002, 1 ABR 40/01).