Rz. 1
Die Vorschrift des § 86a BetrVG ergänzt die individuellen Rechte der Arbeitnehmer im Rahmen der Betriebsverfassung. Während sich die §§ 84,85 BetrVG an den Arbeitgeber als Adressaten der Arbeitnehmerbeschwerden richten, schafft § 86a BetrVG einen Anspruch der Arbeitnehmer gegenüber dem Betriebsrat, sich unter bestimmten Voraussetzungen mit einem aus der Belegschaft stammenden Thema in einer Betriebsratssitzung zu beschäftigen. Mit § 86a BetrVG, der mit dem Gesetz zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes vom 23.7.2001 eingeführt wurde, verankerte der Gesetzgeber erstmals ein individuelles Vorschlagsrecht der Arbeitnehmer gegenüber dem Betriebsrat in der Betriebsverfassung. Danach trifft den Betriebsrat die Amtspflicht, sich mit dem Vorschlag zu befassen, wenn er von einem Quorum von 5 % der Arbeitnehmer des Betriebs unterstützt wird.
Die Vorschrift spielt in der Praxis weiterhin kaum eine Rolle, jedenfalls sind bislang keine veröffentlichte Entscheidungen zu dieser Norm ergangen.
Rz. 2
Mit § 86a BetrVG verfolgt der Gesetzgeber den Zweck, das demokratische Engagement der Arbeitnehmer in den Betrieben zu stärken, die Arbeitnehmer mehr in die Willensbildungsprozesse innerhalb des Betriebs einzubinden und insbesondere die Arbeit der Betriebsräte stärker als bisher an die Beschäftigteninteressen anzubinden. Auch soll die interne Kommunikation zwischen Betriebsrat und den von ihm repräsentierten Arbeitnehmern gefördert werden. Die Eigeninitiative der Arbeitnehmer soll unterstützt und ein Anreiz geschaffen werden, dass die Arbeitnehmer durch Vorschläge ihre Fachkenntnisse in die Arbeit des Betriebsrats mit einbringen.
Rz. 3
Förmlich schafft der Gesetzgeber einen neuen Anspruch der Arbeitnehmer, inhaltlich enthält § 86a BetrVG aber keine wesentlichen Neuerungen.
Auch zuvor konnten sich einzelne Arbeitnehmer nach § 80 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG mit Anregungen und Vorschlägen an den Betriebsrat wenden. Den Betriebsrat traf auch nach bisherigem Recht die Verpflichtung, sich mit den Anregungen sachlich zu befassen und ihre Berechtigung zu überprüfen, so dass ein inhaltlicher Unterschied zwischen beiden Regelungen nicht festzustellen ist. Die besondere Bedeutung des § 86a BetrVG liegt aber darin, dass das in § 80 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG nur mittelbar angesprochene Vorschlagsrecht durch die Schaffung einer besonderen Vorschrift besonders herausgestellt und so den Arbeitnehmern deutlicher vor Augen geführt wird.
Ein Arbeitnehmer, der Anregungen und Vorschläge in Bezug auf nach seiner Meinung gegebene Missstände oder regelungsbedürftige Sachverhalte vorbringen möchte, kann sich sowohl auf § 80 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG als auch auf § 86a BetrVG berufen. Da § 86a BetrVG ausdrücklich nur den Betriebsrat erwähnt und eine vergleichbare Regelung in den §§ 47 ff. bzw. 54 ff. BetrVG fehlt, besteht das Vorschlagsrecht nur gegenüber dem Betriebsrat, nicht gegenüber dem Gesamtbetriebsrat oder dem Konzernbetriebsrat.
Rz. 4
Das BetrVG kennt weitere Vorschlagrechte, die allerdings teilweise andere Folgen für die Behandlung durch den Betriebsrat haben. So können ein Viertel der Mitglieder des Betriebsrats oder den Arbeitgeber den Betriebsrat nach § 29 Abs. 3 BetrVG dazu zwingen, eine Sitzung einzuberufen und den gewünschten Gegenstand auf die Tagesordnung zu setzen. Die Betriebs- oder Abteilungsversammlungen nach § 45 Satz 2 BetrVG können dem Betriebsrat dagegen nur Anträge unterbreiten und zu den Beschlüssen Stellung nehmen. Weitere Vorschlagsrechte bestehen für die Jugend- und Auszubildendenvertretung nach § 67 Abs. 3 BetrVG und die Schwerbehindertenvertretung nach § 95 Abs. 4 SGB IX in Bezug auf die von ihnen vertretenen Arbeitnehmer.