Rz. 72
§ 1 Abs. 2 Satz 2 eröffnet den in einem Haushalt mit dem nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Berechtigten lebenden Ehegatten oder Ehegattinnen die Möglichkeit, (ebenfalls) Elterngeld in Anspruch zu nehmen. Der Anspruch auf Elterngeld leitet sich in diesen Fällen vom anderen Elternteil ab. Ohne Bedeutung sind Staatsangehörigkeit oder Aufenthaltsstatus in Deutschland.
Dauerhaft im Ausland tätiger Entwicklungshelfer
Entwicklungshelfer E ist für einen staatlich anerkannten Träger des Entwicklungsdienstes im Ausland tätig. In Afrika lernt er F, Staatsangehörige seines Einsatzstaats, kennen. Beide heiraten kurz darauf und bekommen Nachwuchs. Nach Deutschland reisen sie in dieser Zeit nicht. Hat F dennoch einen Anspruch auf Elterngeld?
Lösung
E erfüllt die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2. Damit zählt auch seine Ehefrau F über Satz 2 der Norm zum Kreis der Anspruchsberechtigten. Auf ihre Staatsangehörigkeit kommt es nicht an. Ebenso wenig ist erforderlich, dass sich F vor, während oder nach der Geburt in Deutschland aufgehalten und einen entsprechenden Aufenthaltstitel erlangt hat. Die soziale Bindung gegenüber Deutschland besteht in dieser Konstellation auch dann, wenn sich beide durchgängig im Ausland aufhalten, "da der Auslandsaufenthalt zwangsläufig zum Berufsbild des Entwicklungshelfers gehört".
Rz. 73
Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft haben nach dem eindeutigen Wortlaut des § 1 Abs. 2 Satz 2 keinen Anspruch auf Elterngeld. Dies ist unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden. Die Regelung findet im Schutzgebot des Art. 6 Abs. 1 GG, aber auch in der gesetzgeberischen Einschätzung ihre Rechtfertigung, wonach bei in ehelicher Gemeinschaft zusammenlebenden Eltern "typisierend eine engere fortbestehende Verbindung zum Heimatland und eine größere Wahrscheinlichkeit der Rückkehr innerhalb überschaubarer Zeiträume" anzunehmen sein soll. Zudem haben sich die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft "gerade zu einem Zusammenleben unter Vermeidung der mit Vor- und Nachteilen verbundenen rechtlichen Bindungen einer förmlichen Ehe entschlossen". Auch Art. 6 Abs. 5 GG, wonach den unehelichen Kindern die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen sind wie den ehelichen Kindern, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn § 1 Abs. 2 Satz 2 knüpft gerade nicht an den Status des Kindes an, für das Elterngeld beantragt werden soll, und ist zudem in räumlicher Hinsicht primär auf das Bundesgebiet ausgerichtet.
Rz. 74
EuGH-Entscheidung zu nicht ehelichen Lebensgemeinschaften
Der EuGH hat zur VO (EWG) 1408/71 – nunmehr VO (EG) 883/2004 – festgehalten, dass ein Anspruch auf Familienleistungen, zu denen das deutsche Elterngeld zählt, auch über den "Lebensgefährten" vermittelt werden kann.
Vor diesem Hintergrund spricht vieles dafür, in Konstellationen mit grenzüberschreitendem Bezug eine europarechtskonforme Auslegung des § 1 Abs. 2 Satz 2 in Betracht zu ziehen.
Rz. 75
§ 1 Abs. 2 Satz 2 kann für die Praxis eine erhebliche Bedeutung zugesprochen werden. Denn regelmäßig ist es gerade der andere, nicht ins Ausland entsandte, aber gleichwohl dorthin mitreisende Elternteil, der Elterngeld in Anspruch nehmen möchte. Konstellationen, in denen eine zum Kreis des § 1 Abs. 2 Satz 1 gehörende Person am neuen Einsatzort seine Erwerbstätigkeit reduziert oder ganz einstellt, dürften in deutlich geringerer Zahl auftreten.