Leitsatz
Zentrales Problem dieser Entscheidung war die Frage der Verwirkung eines Unterhaltsanspruchs bei Verschweigen eigener Einkünfte des Unterhaltsberechtigten trotz ausdrücklicher Befragung hiernach.
Sachverhalt
Die Parteien hatten im Jahre 1973 geheiratet und lebten seit Februar 2005 getrennt, die Ehescheidung war noch nicht erfolgt.
Im November 2005 hatten die Parteien einen Zwischenvergleich geschlossen, wonach der Ehemann monatlichen Trennungsunterhalt i.H.v. 550,00 EUR zu zahlen hatte. Grundlagen enthielt dieser Vergleich nicht. Zahlung wurde durchgehend bis Mai 2010 geleistet. Im September 2007 hat die Ehefrau mit einem Antrag auf Zahlung eines höheren Betrages als 550,00 EUR monatlich das Verfahren fortgesetzt. Der Beklagte hat sich nur gegen die Erhöhung mit einem Klageabweisungsantrag zur Wehr gesetzt.
Die Ehefrau litt an einem Gehirntumor und war seit Januar 2007 arbeitsunfähig erkrankt. In dem von ihr eingeleiteten Abänderungsverfahren gab sie nur das von ihr bezogene Krankengeld i.H.v. monatlich 732,00 EUR an, nicht jedoch den von ihrem Arbeitgeber gewährten Krankengeldzuschuss i.H.v. 162,00 EUR monatlich. Auch nach dem ausdrücklichen schriftlichen Hinweis des Ehemannes auf die Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung eines Krankengeldzuschusses ließ die Klägerin im Verfahren wahrheitswidrig vortragen, sie erhalte eine solche Leistung nicht.
Das AG hat den Beklagten unter teilweiser Klageabweisung verurteilt, über die in dem Zwischenvergleich titulierten 550,00 EUR monatlich hinaus weitere Beträge ab März 2007 in unterschiedlicher Höhe zu zahlen.
Gegen das erstinstanzliche Urteil wandte sich der Beklagte mit der Berufung und berief sich dabei insbesondere auf den Tatbestand der Verwirkung, da die Klägerin in erster Instanz trotz gezielter Rückfrage unvollständige Angaben zu ihren Einkünften gemacht habe.
Das Rechtsmittel des Beklagten hatte überwiegend Erfolg.
Entscheidung
Das OLG vertrat die Auffassung, das AG habe zu Unrecht eine Verwirkung gemäß §§ 1361 Abs. 3, 1579 Nr. 3, 5 BGB wegen Verschweigens bzw. falscher Darstellung der eigenen Einkünfte durch die Klägerin verneint (vgl. BGH in FamRZ 2007, 1532 ff.). Der medizinische Sachverständigengutachter habe ausdrücklich bestätigt, dass die Klägerin in der Lage sei, trotz ihrer Erkrankung nachvollziehbare Gedankengänge zu überblicken. Bei Zahlungseingängen auf dem Girokonto handele es sich um einfachste Vorgänge, deren Wahrnehmung und gedankliche Kenntnisnahme keiner analytischen Fähigkeit bedürfe. Erschwerend komme hinzu, dass die Klägerin in einem Schriftsatz des Beklagten ausdrücklich darauf hingewiesen worden sei, dass sie einen Krankengeldzuschuss erhalten müsse, so dass spätestens dadurch eine Veranlassung bestanden habe, dies durch Einblick in ihre Unterlagen oder entsprechenden Rückfrage bei ihrem früheren Arbeitgeber zu überprüfen.
Der Umstand, dass die Klägerin schwer erkrankt sei, möge bei der Bewertung der Verwirkungsfolgen durchaus berücksichtigt werden, stehe aber der grundsätzlichen Annahme des Vorliegens eines versuchten Prozessbetruges nicht entgegen. Im Übrigen belege auch der Umstand, dass sich die Klägerin offenbar bislang nicht veranlasst gesehen habe, sich vor dem Hintergrund ihrer Erkrankung Betreuungsmaßnahmen ihre wirtschaftlichen Verhältnisse betreffend zu unterwerfen, dass sie selbst nicht davon ausgehe, ihre eigenen Belange nicht mehr wahrnehmen zu können.
Das OLG ging vom Vorliegen einer Verwirkung gemäß §§ 1361, 1579 Nr. 3, 5 BGB aus, vertrat jedoch die Auffassung, dies führe nicht zu einer vollständigen Versagung des Trennungsunterhalts, zumal der Beklagte eine solche durch das Akzeptieren eines monatlichen Betrages von 550,00 EUR offenbar selbst nicht für geboten erachte.
Nach sorgfältiger Abwägung der beiderseitigen Belange hielt das OLG vorliegend für angemessen, den Unterhaltsbedarf der Ehefrau von bisher ca. 1.500,00 EUR auf 1.000,00 EUR monatlich zu kürzen.
Link zur Entscheidung
OLG Düsseldorf, Urteil vom 07.07.2010, II-8 UF 14/10