Leitsatz
Zentrales Problem dieser Entscheidung war der von dem Ehemann erhobene Einwand der Verwirkung des Trennungsunterhaltsanspruchs der Ehefrau, die sich kurz vor der Trennung einem anderen Partner zugewandt hatte.
Der Anspruch auf Trennungsunterhalt kann gemäß §§ 1361 Abs. 3, 1579 Nr. 6 a.F., 1579 Nr. 7 n.F. BGB verwirkt sein, wenn der unterhaltsberechtigte Ehegatte eine intime Beziehung zu einem anderen Partner aufnimmt. Der hierfür erforderliche Vorwurf einer schweren Eheverfehlung setzt voraus, dass die Ehe nicht bereits aus einem anderen Grund gescheitert war.
Auch hiermit hat sich das OLG Zweibrücken in seiner Entscheidung auseinandergesetzt.
Sachverhalt
Die Parteien hatten sich nach langjähriger Ehe Ende Juni 2007 getrennt. Kurz zuvor - im Mai 2007 - hatte die Ehefrau sich einem neuen Partner zugewandt. Unstreitig hatte vor der Trennung neun Jahre lang kein sexueller Kontakt zwischen den Ehepartner mehr stattgefunden. Dieser Umstand war vorübergehend auf eine im Jahre 2004 aufgetretene Krebserkrankung des Ehemannes zurückzuführen. Auch nach Verbesserung seines Gesundheitszustandes hatte die Ehefrau jeden sexuellen Kontakt abgelehnt, dem Ehemann jedoch zur Seite gestanden und ihm kleine Zettel mit Liebesbotschaften zukommen lassen.
Der Ehemann vertrat die Auffassung, zur Zahlung von Trennungsunterhalt wegen Verwirkung der Ansprüche der Ehefrau insoweit nicht mehr verpflichtet zu sein.
Das FamG ging nicht von einer Verwirkung der Unterhaltsansprüche aus und verurteilte den Beklagten zur Leistung von Trennungsunterhalt ab Juli 2007 in unterschiedlicher Höhe.
Sein hiergegen eingelegtes Rechtsmittel hatte in vollem Umfang Erfolg.
Entscheidung
Anders als das erstinstanzliche Gericht hat das OLG den Verwirkungstatbestand des § 1579 Nr. 7 i.V.m. § 1361 Abs. 3 BGB als erfüllt angesehen. Es liege ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei der Klägerin liegendes Fehlverhalten i.S.d. § 1579 Nr. 7 BGB vor. Die Annahme des Härtegrundes stütze sich auf die Widersprüchlichkeit des Verhaltens des Unterhaltsberechtigten, der sich zum einen aus der ehelichen Bindung löse, ohne seinerseits das Prinzip der Gegenseitigkeit zu wahren. Dieses Prinzip werde verletzt, wenn der Berechtigte sich gegen den Willen seines Ehegatten einem anderen Partner zuwende und jenem die dem Ehegatten geschuldete Hilfe und Fürsorge zuteil werden lasse. Die Aufnahme einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft durch die Ehefrau könne nur als bewusstes Loslösen von jeglichen ehelichen Bindungen gewertet werden.
Die so erfolgte Abkehr der Ehefrau von der Ehe mit dem Beklagten sei für das Scheitern der Ehe auch ursächlich geworden. Es sei nicht davon auszugehen, dass die Ehe bereits aus anderen Gründen als gescheitert anzusehen gewesen sei. Der Verzicht auf Geschlechtsverkehr könne mannigfaltige Gründe haben und lasse keine hinreichend wahrscheinliche Schlussfolgerung auf die Zerrüttung der Ehe zu. Für eine harmonische Lebensgemeinschaft mit gegenseitiger Verantwortung füreinander bedürfe es nicht unbedingt eines aktiven Sexuallebens, zumal dem Ehemann krankheitsbedingt über mehrere Jahre hinweg die Ausübung des Geschlechtsverkehrs nicht möglich gewesen sei. Die bei ihm diagnostizierte Krebserkrankung habe im Übrigen schwere psychische Belastungen zur Folge gehabt.
Der allgemeine Vortrag der Klägerin, die Parteien hätten sich auseinander gelebt, massive Eheprobleme gehabt und eine intakte eheliche Lebensgemeinschaft habe es nicht mehr gegeben, genüge ihrer Darlegungslast nicht und schließe die Annahme eines einseitigen Ausbrechens aus der Ehe nicht aus. Entscheidend sei, ob der andere Ehegatte durch sein Verhalten gezeigt habe, dass er ebenfalls nicht an der Fortsetzung der Ehe interessiert sei oder ihn selbst ein ähnlich schwerwiegendes Fehlverhalten treffe (vgl. OLG Hamm FamRZ 2001, 1611).
Hinweis
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BGH (zuletzt Urteil des BGH vom 16.04.2008 - XII ZR 7/05 in FamRZ 2008, 1414 ff.), dass der Tatbestand eines schwerwiegenden Fehlverhaltens i.S.v. § 1579 Nr. 6 BGB a.F. bzw. § 1579 Nr. 7 BGB n.F. erfüllt sein kann, wenn der Berechtigte entweder gegen den Willen des anderen Ehegatten eine eheähnliche Gemeinschaft begründet oder ein nachhaltiges, auf längere Dauer angelegtes intimes Verhältnis zu einem anderen Partner aufnimmt. Durch die Unterhaltsrechtsreform zum 1.1.2008 ist eine sachliche Änderung insoweit nicht erfolgt, so dass auf die gesamte bisherige Rechtsprechung zu dieser Problematik zurückgegriffen werden kann.
Bei den Verwirkungsgründen des § 1579 BGB ist das Ausbrechen eines Ehegatten aus der Ehe und die Aufnahme einer neuen intimen Beziehung die häufigste Fallgestaltung in der Praxis neben der Regelung in Ziff. 2. Hierbei kommt dem Begriff der "intakten Ehe" entscheidende Bedeutung zu. Hier ist zu beachten, dass nicht nur eine durchweg harmonische Ehe die Ehegatten zu ehelicher Treue verpflichtet. Steht die Aufnahme einer außerehelichen Beziehung fest, hat der Unterhaltsberechtigte darzulegen und zu be...