Leitsatz

Aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht ist ein GmbH-Gesellschafter grundsätzlich verpflichtet, seine Mitgesellschafter über Vorgänge, die dessen mitgliedschaftliche Vermögensinteressen berühren und ihm nicht bekannt sein können, vollständig und zutreffend zu informieren. Unterlässt er dies, kann sich daraus ein Schadensersatzanspruch ergeben.

Wird an einen Gesellschafter-Geschäftsführer ohne Wissen eines Mitgesellschafters ein Geschäftsführergehalt gezahlt, kann der Mitgesellschafter nur dann einen Schadensersatzanspruch geltend machen, wenn er nicht aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht gehalten ist, die Zahlung zu genehmigen. Dafür ist maßgebend, ob der Gesellschafter-Geschäftsführer eine Arbeitsleistung erbringt, die unter Berücksichtigung der Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags vernünftigerweise nur gegen eine gesonderte Vergütung zu erwarten ist.

 

Sachverhalt

Die Klägerin macht einen ihr von ihrem Ehemann abgetretenen Schadensersatzanspruch geltend. Der Ehemann, der Beklagte und eine dritte Person waren zu gleichen Anteilen Gesellschafter der S-GmbH. Der Ehemann hat seinen Geschäftsanteil mittlerweile veräußert. Kurz vor dem Verkauf sprach er den Beklagten auf die wirtschaftliche Situation der GmbH an. Der Beklagte antwortete, es sei mit keinem Gewinn zu rechnen. Nicht erwähnt wurde, dass an den weiteren Mitgesellschafter und -geschäftsführer S Gehälter in Höhe von 113534,20 DM im Jahr 1999 und von 25180,69 DM im Jahr 2000 gezahlt worden waren. Der Ehemann verkaufte seinen Geschäftsanteil in der Folge zum Nennwert. Die Klägerin hat behauptet, dass ihr Ehemann dabei von den Zahlungen an S nichts gewusst habe und sich einen entsprechenden Gewinnanspruch vorbehalten hätte, wenn er von den Zahlungen gewusst hätte. Der BGH hob die abweisende Entscheidung der Vorinstanz auf und verwies die Sache zurück.

 

Entscheidung

Ein Gesellschafter ist aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht grundsätzlich verpflichtet, einen Mitgesellschafter über Vorgänge, die dessen mitgliedschaftliche Vermögensinteressen berühren und ihm nicht bekannt sein können, vollständig und zutreffend zu informieren[1]. Dazu gehört auch die Offenlegung etwaiger verdeckter Gewährungen von Sondervorteilen an einen dritten Mitgesellschafter. Denn solche Sondervorteile können einen Rückzahlungsanspruch der Gesellschaft auslösen, der in der Bilanz zu aktivieren ist und damit den Gewinn und die Liquidität der Gesellschaft vergrößert bzw. einen Verlust verringert.

Das Verschweigen der an den Mitgesellschafter geleisteten Zahlungen kann aber nur dann zu einem Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten führen, wenn diese Zahlungen nicht nur gegen die gesellschaftsrechtliche Kompetenzordnung verstoßen haben, sondern auch in der Sache unberechtigt waren. Ein verdeckter Sondervorteil lag darin nämlich nur dann, wenn der Leistung keine gleichwertige Gegenleistung gegenüberstand[2]. Deckt sich dagegen der Wert der Leistung ganz oder teilweise mit dem Wert der Gegenleistung, kann der Gesellschafter, hinter dessen Rücken das Geschäftsführergehalt gewährt worden ist, aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht gehalten sein, die Gehaltszahlung im entsprechenden Umfang zu genehmigen.

Dementsprechend kommt es darauf an, ob S eine Arbeitsleistung für die Gesellschaft erbracht hat, die unter Berücksichtigung des Gesellschaftsvertrags, insbesondere des Gewinnverteilungsschlüssels, und der Beiträge der Mitgesellschafter vernünftigerweise nur gegen eine gesonderte Vergütung zu erwarten war. In diesem Fall hätte sich eine gewissenhafte, nach kaufmännischen Grundsätzen handelnde und die berechtigten Belange aller Gesellschafter berücksichtigende Gesellschafterversammlung dem Wunsch nach einer entsprechenden Vergütung nicht verschlossen. Dann aber sind die Mitgesellschafter auch verpflichtet, der Gehaltszahlung in der entsprechenden Höhe nachträglich zuzustimmen. Insoweit muss das OLG den Sachverhalt weiter aufklären.

 

Praxishinweis

Nach Meinung des BGH kann eine Schadensersatzpflicht auch aus einem weiteren – gleichfalls noch aufklärungsbedürftigen – Aspekt resultieren. Die Gehaltszahlungen wurden offensichtlich hinter dem Rücken des früheren Gesellschafters vorgenommen. Die Pflichtverletzung des Beklagten liegt dann aber nicht erst im Verschweigen dieses Umstands. Vielmehr kann sich eine Schadensersatzpflicht schon aus dem Verstoß gegen die gesellschaftsrechtliche Kompetenzordnung in Form der nicht durch einen Gesellschafterbeschluss[3] gedeckten Gehaltszahlung an S ergeben. Auf die Frage, ob der daraus folgende Rückzahlungsanspruch der Gesellschaft werthaltig war, kommt es dabei nicht an. Zu prüfen ist dann aber auch, ob der Leistung an S eine gleichwertige Gegenleistung gegenüberstand, so dass der Zedent verpflichtet war, sie zu genehmigen.

 

Link zur Entscheidung

BGH-Urteil vom 11.12.2006, II ZR 166/05

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