Rz. 1

Mit Wirkung zum 1.1.2014 ist in Tschechien nach langjährigen fachlichen und politischen Diskussionen ein neues Zivilgesetzbuch (ZGB)[1] in Kraft getreten, das das mehrfach geänderte sozialistische Recht aus dem Jahr 1964 abgelöst hat. Ziel des Gesetzes war es, alle privatrechtlichen Rechtsverhältnisse in einem Gesetzbuch zu regeln. Das neue Zivilgesetzbuch sollte den geänderten gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen Rechnung tragen und Prinzipien und Standards des Privatrechts in Mitteleuropa entsprechen. Aus diesem Grund ließ sich der tschechische Gesetzgeber vom Recht vieler europäischer Staaten inspirieren, wie etwa Deutschland, Schweiz, Österreich, Italien oder Niederlande. Insbesondere das Erbrecht wurde grundlegend geändert und die Gestaltungsmöglichkeiten des Erblassers wurden erheblich erweitert. Das bisher aus 41 Paragraphen bestehende Erbrecht ist auf über 200 Paragraphen (§§ 1475–1720 ZGB) angewachsen. Viele Fragen, die mit der (Wieder-)Einführung neuer Rechtsinstitute entstehen, sind noch offen und werden von der Praxis und der Rechtsprechung in den kommenden Jahren gelöst werden müssen.

 

Rz. 2

Zusammen mit dem Zivilgesetzbuch wurde auch das aus dem Jahr 1963 stammende Gesetz über das internationale Privat- und Prozessrecht (IPPRG) grundlegend überarbeitet und neu gefasst.[2] Es ist wie das Zivilgesetzbuch zum 1.1.2014 in Kraft getreten.

 

Rz. 3

Parallel hierzu wurden auch zahlreiche andere Rechtsvorschriften geändert, erweitert und angepasst, u.a. die Zivilprozessordnung und die Notariatsordnung. Das Nachlassverfahren ist nicht mehr in der ZPO, sondern in einem neuen, eigenständigen Gesetz über unstrittige Verfahren[3] geregelt (BGVG).

 

Rz. 4

Mit dem Inkrafttreten der Erbverordnung[4] (EuErbVO) am 17.8.2015 wurde die Erbschaft mit Auslandsbezug grundlegend geändert. Die Neuregelung in der EuErbVO findet allerdings nur für Erbsachen mit Erblassern mit dem Todestag 17.8.2015 und später Anwendung; in alten Erbsachen wird vorrangig IPRG (Nr. 91/2012 Slg.) bzw. die noch vorhergehende sozialistische Regelung im IPPRG (Nr. 97/1963 Slg.) angewendet.

 

Rz. 5

Weil im Nachlassverfahren nach tsch. Recht auch das Gesamtgut des Erblassers und überlebenden Ehegatten auseinanderzusetzen ist, ist auch die neue europäische Verordnung (EuEheVO)[5] zu berücksichtigen. Das gilt bei Ehen, die erst nach Inkrafttreten der EuEheVO, d.h. am 16.2.2019 und später, geschlossen sind. Zwischen registrierten Partnern entsteht nach tsch. Recht kein Güterstand, und daher spielt die "Zwillingsverordnung" über Güterstand in registrierter Partnerschaft[6] fast keine Rolle.

[1] Gesetz Nr. 89/2012 Slg.
[2] Gesetz Nr. 91/2012 Slg.
[3] Gesetz Nr. 292/2013 Slg.
[4] VERORDNUNG (EU) Nr. 650/2012 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 4.7.2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses.
[5] VERORDNUNG (EU) 2016/1103 DES RATES vom 24.6.2016 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstands.
[6] VERORDNUNG (EU) 2016/1104 DES RATES vom 24.6.2016 zur Durchführung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen güterrechtlicher Wirkungen eingetragener Partnerschaften.

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